Was es für ausländische Frauen bedeutet, wenige oder gar keine Rechte zu haben (Fallbeispiel im Bildungsbereich)
Beatriz Paiva Keller
Migrantinnenforum Bern;
Mitautorin der Studie "Migrantinnen im Kanton Bern"
Im Kanton Bern gibt es laut BFA keine statistischen Angaben über den Ausbildungsgrad der ausländischen Frauen. Diese Zahlen sind nur nach sozioprofessionellen Kategorien erhoben. Aus Interviews mit 22 Migrantinnen und anhand der Unterlagen und Verordnung des Kantons lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- Arbeitsmigrantinnen der ersten Generation und Frauen, die im Familiennachzug in die Schweiz gekommen sind, verfügen tendenziell über wenig Schulbildung.
- Die sogenannten Heiratsmigrantinnen und Frauenflüchtlinge hingegen haben in ihren Herkunftsländern Ausbildungen abgeschlossen oder angefangen. Viele von ihnen haben in den Interviews erwähnt, dass ihre Ausbildungen bei den RAV’s und Stellenvermittlungsbüros negativ wahrgenommen wurden. Eine der Frauen erzählte, dass ihre RAV- Beraterin auf dem Anmeldungsformular "ungelernt" angekreuzt habe, obwohl sie in Bosnien eine Ausbildung als Chemielehrerin gemacht habe.
- Die Erwerbsarbeiten, welche diese Migrantinnen hierzulande ausüben, entsprechen somit oftmals nicht ihrem Diplom.
Je nach ihrem Aufenthaltsstatus haben es ausländische Frauen schwer, hierzulande eine minimale Existenz aufzubauen. Für MigrantInnen mit unsicherer Aufenthaltsbewilligung (Bewilligung B) ist es schwierig, in eine Ausbildung in der Schweiz zu investieren, weil den meisten die Ausschaffung droht, falls sie erwerbslos werden, bzw. nicht arbeiten. Der Aufenthaltstatus und das Bildungsprofil spezifischer Herkunftsländer sind Kriterien für die Zulassung zu Bildungsangeboten nach der obligatorischen Schulzeit (Berufsschulen, Fachhochschulen und Universitäten). Frauen mit prekären Bewilligungen (wie N und F) haben keinen Zugang zu öffentlichen Berufschulen und müssen ihre Ausbildung selbst bezahlen, was in der Regel kaum realisierbar ist.
Der schwierige Zugang der Mehrheit der Migrantinnen zu Bildungsangeboten und zu Stellen in besseren Lohnbereichen kann nicht nur mit Sprach- bzw. Bildungsdefiziten erklärt werden: Migrantinnen arbeiten häufiger vollzeitlich und die fehlende institutionelle Unterstützung (Mutterschaftsversicherung, Kinderbetreuung) wirkt sich erschwerend aus, was ihre eigene Verfügbarkeit für Bildungsmassnahmen einschränkt.
Eine fortschrittliche Migrationspolitik realisiert sich nicht in erster Linie mit fremden-polizeilichen Massnahmen, sondern fördert eine funktionierende Integrationsarbeit, die Diskriminierungen feststellt und sie politisch zu überwinden versucht.
Keine oder wenige Rechte zu haben erschwert und verunmöglicht die Bewegungs- und Handlungsspielräume ausländischer Menschen und reduziert ihre Chancen, an der gesellschaftlichen Entwicklung teilzunehmen. So will die Kundgebung "Rechte statt Schranken" ungeachtet von dem Geschlecht und der Herkunft auch einen weiteren Grundstein für eine bessere Zukunft legen. Eine solidarische und weltoffene Schweiz bzw. Welt soll endlich möglich sein.