Bemerkungen zum 13. Kapitel des AuG und damit zusammenhängenden Artikeln
Das 13. Kapitel des AuG-Entwurfes hat eindeutig eine falsche Überschrift. In keinem einzigen Artikel dieses Kapitels geht es um den Schutz der Daten und damit der Persönlichkeitssphäre von AusländerInnen. Nach subjektiven Rechten der Auskunft oder Löschung von Daten über das hinaus, was ohnehin vom Datenschutzgesetz vorgeschrieben ist, nach Löschungsfristen oder Benachrichtigungspflichten der Behörden, nach all dem also, was gemein hin datenschutzrechtliche Regelungen sind, sucht man hier vergebens. Finden wird man hier statt dessen Ermächtigungen und Befugnisse der Behörden. Gegenstand der in diesem Kapitel enthaltenen Normen ist einzig und allein die gesetzliche Absicherung der bestehenden Formen der Datenbearbietung des Bundesamtes und der Kantone sowie der vorgesehenen neuen Formen der Erhebung, Bearbeitung und Weitergabe von Ausländerdaten. Zweifellos verlangt das datenschutzgesetz, dass jede Datenbearbeitung durch ein formelles Gesetz gedeckt ist. Beim Datenschutz geht es aber um mehr: es geht um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das, wie das Bundesgericht unlängst festgehalten hat, ein fester Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist und damit Verfassungsrang hat. Bei einer Totalrevision des schweizerischen Ausländerrechts wäre erwartbar gewesen, dass auch hinsichtlich der Datenbearbietung über die Bücher gegangen würde. Dies um so mehr, als MigrantInnen (und Asylsuchende) schon heute die am stärksten erfasste Bevölkerungsgruppe in der Schweiz sind und es für die Weitergabe ihrer Daten kaum Grenzen gibt - weder im Inland, was die Auskunft an und die Zugriffsmöglichkeiten insbesondere von Behörden im polizeilichen und strafrechtlichen Bereich angeht, als auch hinsichtlich der Weitergabe ins Ausland. Statt einer Begrenzung und einschränkender Regelungen erfolgt hier ein weiterer Ausbau der behördlichen Befugnisse.
Die Art und Weise der Datenbearbeitung im ausländerrechtlichen Bereich sowie die Ausgestaltung der entsprechenden Regelungen ist diktiert von der Ausrichtung des Gesetzes. Schon das bisherige ANAG war ein besonderes Polizeigesetz. Im AuG-Entwurf wird das Gewicht der Missbrauchsbekämpfung und der Zwangsmassnahmen weiter verstärkt. Die Folge davon ist, dass auch die Datenbearbeitung nicht die normaler Verwaltungsbehörden ist, sondern von Zwang und Misstrauen geprägt ist.
Amtshilfe und Weitergabe
Nicht im 13.Kapitel aber von entscheidender datenschutzrechtlicher Bedeutung ist der Amtshilfe-Artikel 92. In Absatz 2 werden die Behörden des Bundes, der Kantone und Gemeiden ohne jede Einschränkung zur Bekanntgabe von Daten an die Fremdenpolizeien und das BfA verpflichtet. Hier würde man mindestens einen Hinweis darauf erwarten, dass eine Weitergabe unterbleiben kann, wenn der Zweck der Tätigkeit der angefragten Behörden damit gefährdet würde, bzw. unterbleiben muss, wenn schützenswerte Interessen der Betroffenen einer Weitergabe entgegenstehen. Der AuG-Entwurf geht offensichtlich davon aus, dass ausländerrechtliche Massnahmen, die in aller Regel dem Betroffenen zum Nachteil gereichen, über allen anderen Verwaltungszwecken und in jedem Fall über den Interessen der Betroffenen stehen. Dementsprechend fehlen jegliche Pflichten der zur Bekanntgabe von Daten angefragten Behörden, die Rechtmässigkeit, die Verhältnismässigkeit oder Erforderlichkeit einer Weitergabe zu prüfen.
Dasselbe gilt bei den Meldepflichten der Behörden - also der Weitergabe ohne Ersuchen - nach Absatz 3. Grundsätzlich ist es bedenklich, dass bereits die Eröffnung einer Strafuntersuchung, also gegebenenfalls ein falscher Verdacht, eine Bagatelle o.dgl. mitgeteilt werden muss. Wenn die Eröffnung der Strafuntersuchung mitgeteilt wird, dann muss der Gesetzgeber zur Wahrung rechtsstaatlicher Minimalia dafür sorgen, dass auch entlastende Informationen und insbesondere die Einstellung oder gar ein Freispruch weitergegeben werden müssen. Ganz inakzeptabel ist die Verpflichtung der Standesämter zu Spitzeldiensten der Fremdenpolizei, wie das in Abs. 3 Bst. c. angestrebt wird.
In die gleiche Richtung gehen die Regelungen über den Datenaustausch mit Beförderungsunternehmen. Angestellte von Reiseunternehmen dürfen nicht zu Hilfspolizisten degradiert werden. Eine Weitergabe entsprechender Listen an diese Unternehmen verletzt in jedem Falle die Sorgfaltspflicht. Ein systematischer Datenaustausch, d.h. der online-Zugriff der Polizei- und Ausländerbehörden auf sämtliche Daten der Reiseunternehmen oder der Abgelich von Passagierlisten hinter dem Rücken der Betroffenen ist inakzeptabel. In jedem Falle muss den betroffenen die Weitergabe ihrer Reiseinformationen an die Polizei oder Grenzpolizei mitgeteilt werden.
Die Regelungen über die Datenweitergabe ins Ausland sind schlicht fahrlässig. Der schweizerische Datenschutzstandard bzw. ein entsprechender Standard in einem anderen Staat oder bei einer internationalen Organisation bieten als solche keine Gewähr dafür, dass bei einer Bekanntgabe an ausländische Behörden keine Missbräuche (hier hat das Wort seine berechtigung) erfolgen. Wenn Daten regelmässig weitergegeben werden, müssen die Standards dieser Weitergabe benannt und vertraglich festgelegt werden (Welche Daten werden geliefert, wer kontrolliert die Daten, wer ist für die Bearbeitung zuständig, wann werden die Daten gelöscht etc.) Erst dann wird aus dem Datenschutzstandard ein wirklicher Schutz. Wenn daten nur im Einzelfalle weitergegeben werden, dann muss das Bundesamt eben in diesem Einzelfall dafür Gewähr bieten, dass die Informationen nicht z.B. für Zwecke der politischen Polizei oder der rassischen und ethnischen Verfolgung genutzt werden.
In Rückübernahme- und Transitabkommen sind dementsprechend Datenschutzbestimmungen und vor allem Kontrollmechanismen einzubauen. Wenn die betreffenden Staaten nicht selbst einen Datenschutzstandard einhalten, dann ist die Schweiz dazu verpflichtet, von sich aus Vorsicht walten zu lassen. Wir erinnern daran, dass das EJPD noch 1997 - also kurze Zeit, bevor die NATO ihren "humanitären Krieg" gegen Jugoslawien führte - mit dem Milosevic-Regime ein Rückübernahme-Abkommen abschloss. Derartige Abkommen sind inakzeptabel, wenn sie nicht Schutzstandards für die Betroffenen - und dazu gehört der Datenschutz - enthalten.
Informationssystem
In Bezug auf das Informationssystem - sprich: das zentrale Ausländerregister ZAR bzw. dessen erneuerte Auflage "Ausländer 2000" - stellen sich die oben aufgeführten Probleme der Datenweitergabe in besonderem Masse. Der Gesetzgeber sollte sich dafür entscheiden, das neue ZAR tatsächlich auf die Rolle einer Verwaltungsdatei zu reduzieren und alle automatischen Beziehungen dieses Informationssystems zur Polizei und zu polizeilichen Zwecken kappen. Das bedeutet zum einen, auf die Speicherung von strafrechtlichen oder polizeilich-relevanten Fragen zu verzichten, und zum anderen, eine Weitergabe von Daten an Polizei- und Strafverfolgungsbehörden nur im Einzelfalle zuzulassen.
Die Informationstechnik macht den Datenaustausch durch online-Verbindungen zum Kinderspiel, der Datenschutz lebt aber von der Gewaltenteilung.
Biometrie
Die Erfassung biometrischer Daten war im Vorentwurf noch nicht vorgesehen (Art.97). Sie ist offensichtlich - übrigens nicht nur in der Schweiz - eine Überreaktion nach den Anschägen des 11. Septembers. Die geplante "offene" Regelung ist ein Freipass für die Behörden. Weder wird dargelegt, welche biometrischen Daten denn erfasst werden sollen, noch enthält die Regelung Hinweise darauf, wann Zweifel an der Identität gegeben sein sollen und wann dementsprechend die Erfassung solcher Daten erlaubt sein soll. Schon unter diesen rein immanenten Gesichtspunkten wird deutlich, dass die Regelung nicht dem Bestimmtheitserfordernis entspricht. Praktisch ist davon auszugehen, dass eine solche Erfassung zumindest bei bestimmten Herkunftsländern regelmässig oder gar generell bei allen AusländerInnen vorgenommen wird, wie das bereits heute im Asylbereich der Fall ist. Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man sich nur vorstellen, dass sich SchweizerbürgerInnen bei der Beantragung eines Visums von den Behörden des Landes, in das sie reisen wollen, erkennungsdienstlich behandeln lassen müssten, also eine Prozedur über sich ergehen lassen müssten, die ansonsten nur für Personen vorgesehen ist, die einer Straftat verdächtigt werden.
Zu erwarten ist weiter, dass diese Daten auch in den Ausländerausweisen eingetragen werden, deren Format und Inhalt der Bundesrat allein per Verordnung festlegen kann.
Genausowenig akzeptabel ist die vorgesehene Videoüberwachung und Gesichtserkennung, die bereits jetzt im Flughafen Kloten getestet wird. Der Datenschutzbeauftragte hat zurecht festgehalten, dass diese Überwachung weder zweck- noch verhältnismässig ist, weil nur eine absolute Minderheit der so erfassten Personen illegal einreisen wollen. An dieser Unverhältnismässigkeit ändert sich auch dann nichts, wenn sie gesetzlich verankert würde.
Heiner Busch, Juli 2002