Während mit dem seit Juni geltenden Freizügigkeitsabkommen die Tore für Arbeit suchende Menschen aus der EU und der EFTA weiter geöffnet wurden, bleibt die ohnehin schmale Tür zur Schweiz für alle anderen Staatsangehörigen praktisch verschlossen. Mit seinem AuG-Entwurf schreibt der Bundesrat das "duale Zulassungssystem", welches das "Drei-Kreise-Modell" 1998 ablöste, auf neuer Basis fort: Die Arbeitsmigration von Menschen aus Ländern ausserhalb des EU- und EFTA-Raums - vom Bundesrat verächtlich "Drittstaatenangehörige" genannt - soll beschränkt werden auf "dringend benötigte und gut qualifizierte Arbeitskräfte".
Diese krasse Diskriminierung gilt aber nicht nur bei der Zulassung: Für EU- und EFTA-Staatsangehörige wird das Recht auf Familiennachzug mit dem Freizügigkeitsabkommen erheblich ausgedehnt, für alle übrigen AusländerInnen soll es noch mehr eingeschränkt werden. Für letztere ist ein ganzes Arsenal von Kontrollen und Zwangsmassnahmen reserviert.
Intoleranz und Entsolidarisierung
Von einem neuen AuG sollte als Minimalziel erwartet werden können, dass es freiheitlichen und rechtsstaatlichen Prinzipien Rechnung trägt und die Erkenntnisse der Migrationsforschung aufnimmt. Der bundesrätliche Entwurf geht an diesen Erwartungen vorbei. Ihm liegt darüber hinaus ein falsches wirtschaftliches Kalkül zu Grunde, das schwer wiegende gesellschaftliche Folgen mit sich bringen wird:
Wie Statistik und Wissenschaft zeigen, liegt der wichtigste Faktor für Schwankungen im Migrationsdruck - also für die Nachfrage der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften - in der wirtschaftlichen Konjunktur. Selbstredend lässt sich dieses Bedürfnis nur stillen, wenn es attraktiv genug ist, in der Schweiz sein Glück zu versuchen. Die weit gehende Personenfreizügigkeit innerhalb der EU und EFTA wird längerfristig zu einer Angleichung der Löhne und Kaufkraft führen. Dieser Effekt wird das Interesse von Menschen aus den EU- und EFTA-Staaten, in der Schweiz zu leben und zu arbeiten, erheblich senken. Es bedarf deshalb keiner prophetischen Hellsicht, um vorhersagen zu können, dass die Bedürfnisse der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften nicht mit Personen aus diesem Raum zu befriedigen sein werden.
Die bereits heute feststellbaren Folgen dieser verfehlten Migrationspolitik werden künftig noch verstärkt: Die schlecht entlöhnte und wenig qualifizierte Arbeit wird von Flüchtlingen und so genannt "vorläufig Aufgenommenen" verrichtet werden müssen. Damit schafft die Schweiz erneut eine diskriminierte, ausgebeutete und weitgehend rechtlose Unterklasse von AusländerInnen. Diesen Missständen zum Trotz wird der Druck auf das Notventil des Asylgesuches wegen des starken sozialen Gefälles als Folge der ausbeuterischen Wirtschaftsglobalisierung zunehmen. Die verfehlte Migrationspolitik bietet rechtsbürgerlichen Kreisen erneut die erwünschte Grundlage, mit fremdenfeindlichen Parolen die Fahne des "Asylmissbrauchs" zu schwingen.
Mit dem AuG- Entwurf verleiht der Bundesrat diesem Teufelskreis der Intoleranz und Entsolidarisierung neuen Schwung. Wer das nicht will, ist aufgerufen, mit der gebotenen Vehemenz gegen dieses Revisionsvorhaben anzutreten. "Solidarité sans frontières" wird dabei an vorderster Stelle für die berechtigten Anliegen der MigrantInnen eintreten!
Peter Nideröst, Co-Präsident von Solidarité sans frontières
Peter Nideröst ist der neue Co-Präsident von Sosf. Der freiberufliche Rechtsanwalt in Zürich engagiert sich für MigrantInnen und Asyl Suchende, ist Mitglied der Demokratischen Juristen und Juristinnen Schweiz und ist zudem im MieterInnenverband des Kantons Zürich aktiv.