Von der SVP bis über die bürgerliche «Mitte» hinaus haben sich PolitikerInnen der etablierten Parteien dabei bereits festgelegt, dass es sich bei den Ankommenden um «Wirtschaftsflüchtlinge» handelt, die nichts in Europa und schon gar nicht in der Schweiz zu suchen haben. Dass die Schweiz über Jahrzehnte hinweg einen aktiven Beitrag zur Stabilisierung der Diktaturen in den jetztigen Krisenregionen geleistet hat, scheint unwichtig. Stattdessen steht nun die eigene Grenzsicherung und Abschottung gegenüber möglicher Flüchtlinge im Vordergrund.
Die vier Organisationen Solidarité sans frontières, Solifonds, Kunst & Politik sowie Demokratische JuristInnen Schweiz haben dagegen einen öffentlichen Aufruf lanciert. Innert nur vier Tagen wurde dieser von mehr als 70 Organisationen und knapp 8000 Personen unterzeichnet. Eine Protestaktion auf dem Bundesplatz begleitete heute morgen diesen Aufruf.
Die Notwendigkeit dieses Aufrufes unterstreicht Yvonne Zimmermann vom Solifonds: «Es braucht jetzt unsere Solidarität mit den Menschen, die sich in den nordafrikanischen Staaten unter Lebensgefahr für Demokratie, Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen. Es ist dringend, dass die Demokratisierungsbewegungen unterstützt werden. Gleichzeitig darf den Menschen, die ihr Land verlassen wollen, nicht wie unter den Diktatoren die Ausreise Richtung Norden verweigert werden.»
Auch Catherine Weber von den DJS meint: «Menschen, die migrieren, um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie zu sichern, sind keine «Wirtschaftsflüchtlinge», sondern Armutsflüchtlinge. Ihnen werden wesentliche Grund- und Menschenrechte verweigert. Wie etwa die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Zur Freiheit gehört auch das Recht auf Bewegungsfreiheit, das wir für uns selbstverständlich in Anspruch nehmen.»
Diesbezüglich doppelt Solidarité sans frontières nach: «In Bezug auf das Recht der Bewegungsfreiheit ist es schlicht eine Frechheit, wenn wir hier aus der Ferne bestimmen wollen, was für die Menschen in den betroffenen Regionen nun das Beste sein soll», meint Hilmi Gashi von Sosf. «Dass die viel zitierten «jungen Männer» nun vor allem in ihrer Heimat gebraucht werden, mag teilweise stimmen. Aber ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen falls sie sich «erfrechen» sollten, sich anders zu entscheiden und zu gehen - das ist arrogant.»
Guy Krneta vom Verein Kunst+Politik äussert sich vor allem kritisch über die öffentlichen Reaktionen der PolitikerInnen im Vorfeld der Debatte: «Viele Künstlerinnen und Künstler sind schlicht und einfach entsetzt darüber, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf Kosten von Flüchtlingen Wahlkampf betreiben.»
Unter den Unterzeichnenden des Aufrufes befinden sich auch bekannte Künstler wie Melinda Nadj Abonji, Manuel Stahlberger, Franz Hohler, Stefan Haupt, Micha Lewinsky, Pipilotti Rist oder Erica Pedretti. Der Aufruf kann unter www.solidaritaets-petition.ch weiterhin unterzeichnet werden.
Für Auskünfte:
- Yvonne Zimmermann | SOLIFONDS | 0788662706
- Catherine Weber | Geschäftsführerin DJS-JDS | 0313128334
- Hilmi Gashi | Co-Präsident Solidarité sans frontières | 0793350764
- Guy Krneta | Vorstand Kunst + Politik | 0612817465