Alle sozialen Bewegungen in der Schweiz stehen – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – zwei besonderen Hindernissen gegenüber: dem «Kantönligeist» und der Mehrsprachigkeit der Schweiz.
Im Bereich der Migrationspolitik stellen sich zudem drei spezifische Herausforderungen. Die Trennung zwischen Asyl- und Migrationspolitik zieht sich hin von der offiziellen Politik bis in die Kreise des Widerstands. Schweizerische Auseinandersetzungen sind zweitens kaum mit Bewegungen im europäischen Rahmen vernetzt. Drittens können die direktdemokratischen Mittel (Initiative und v.a. Referendum) zur Falle werden, wenn sie andere Aktionsformen blockieren und die Kreativität der sozialen Bewegungen einschränken.
Das Projekt «Migrantische Landsgemeinde»
Vor diesem Hintergrund schlägt die Asylkoordination Waadt die Organisation einer zweitägigen «Landsgemeinde von MigrantInnen und Asylsuchenden» vor. Auf französisch sollen diese «Etats généraux de l’immigration et de l’asile» heissen – dieser Name ist eine Anspielung auf die Einberufung der Generalstände in Frankreich, was 1789 direkt zur französischen Revolution führte. Diese Landsgemeinden sollen vor der Lancierung der Referenden zu Asyl- und Ausländergesetz stattfinden. So können im Gegensatz zum Referendumskampf die nicht stimmberechtigten Direktbetroffenen intensiv mit einbezogen werden. Wir wollen auch klar machen, dass wir uns nicht der Illusion hingeben, die Referenden zu gewinnen, sondern diese als Mobilisierungsauftakt für eine breitere und ausdauerndere Kampagne nutzen.
Das Programm der Landsgemeinde
Die Landsgemeinde soll sich in drei Abschnitte gliedern.
Erfahrungsaustausch: Hier legen die Akteure von Kämpfen und sozialem Widerstand, Basisgruppen, Vereine, Kollektive und Gewerkschaften aus allen Kantonen und in allen Bereichen (Sans-Papiers, NEE, Asyl etc.) den aktuellen Stand der Dinge sowie den Zustand der sozialen Bewegungen aus ihrer Sicht dar.
Situationsanalyse: Hier wird die politische Situation und der Stand der Gesetzesdebatten beleuchtet. Der Zusammenhang zwischen der Verteidigung der Rechte der MigrantInnen und dem Kampf für die Sozialen Rechte aller Menschen soll aufgezeigt, die Geschichte der Bewegung beleuchtet und der Blick auf verwandte Bewegungen ausserhalb der Schweiz gelenkt werden.
Kollektive Kreativität: Hier wird eine gemeinsame kurz- und mittelfristige Strategie mit zentralen und dezentralen Aktionsformen erarbeitet. Die Frage der Allianzen z.B. mit anderen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kirchen, aber auch mit Künstlern und Intellektuellen muss diskutiert werden.
Sinnvoll wäre es, hier auch Vorschläge aufzunehmen, welche bereits gemacht wurden – wie die Ideen eines MigrantInnen-Streiks («Ohne uns geht nichts.») und eines Solidaritäts-Zugs durch die Schweiz oder das Projekt einer Volksinitiative für die Rechte der MigrantInnen. Zur Konkretisierung dieser Ideen soll ein schweizerisches Netz zum Informationsaustausch, zur gemeinsamen Reflexion und Aktion gegründet werden.
Bruno Clément
(Zusammenfassung: B. Glättli)
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Sosf übernimmt bei genügend grossem Echo die Koordination der Vorbereitungsarbeiten für die Landsgemeinde. Interessierte Gruppierungen und Einzelpersonen sollen sich deshalb umgehend melden. Ein ausführlicher Projektbeschrieb (dt./fr.) ist auf www.sosf.ch zu finden.