Die Ausländerpolitik war im niederländischen Wahlkampf in diesem Frühjahr ein wichtiges Thema und ist es ebenso im neuen Regierungsprogramm. „Integration statt Zuwanderung“ ist auch hier Programm. Künftig sollen weniger MigrantInnen, Asylsuchende und “Illegale” nach Holland kommen. Kurz zusammengefasst beinhalten die ausländerpolitischen Vorschläge folgendes:
Einwanderung
MigrantInnen müssen für den obligatorischen Integrationskurs 6.000 Euro im Voraus bezahlen; die Hälfte des Betrags erhalten sie nach erfolgreichem Kursbesuch zurück. Nur wer einen erfolgreichen Kursabschluss vorweisen kann, erhält ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Familiennachzug ist nur gestattet, wenn der niederländische Partner/die Partnerin 130 Prozent des Mindestlohns verdient. Das Höchstalter für nachzuziehende Kinder soll gesenkt werden. Begründet werden diese Massnahmen mit der Kriminalität, der Arbeitslosenzahl und der Wohnqualität in bestimmten Stadtvierteln.
Asyl
Im Asylbereich sind folgende Neuerungen vorgesehen: Die Einführung der Identifikationspflicht und eines befristeten Aufenthaltsrechts von fünf Jahren. Dieses soll jedes Jahr auf seine Berechtigung hin neu überprüft werden. Zudem soll das Stellen eines erneuten Asylantrages verhindert werden. Längerfristig soll die internationale Flüchtlingskonvention der restriktiven Asylpraxis angepasst werden. Asylsuchende sollen dann ihr Gesuch nur noch in der Herkunftsregion stellen können. Die Gesuche sollen vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vor Ort geprüft werden.
Sans-papiers
Irreguläre Einreisen und Aufenthalte sollen zu einem Delikt werden. Die Behörden wollen den unbewilligten Aufenthalt und die irreguläre Arbeit stärker kontrollieren und die Abschiebehaft sowie die Abschiebungen wirksamer handhaben. Grosses Gewicht legen sie auf die abzuschliessenden Rücknahmeabkommen mit bestimmten Herkunftsländern.
Schattenwelt
Die vorherige Regierung und vor allem das neue Ausländergesetz vom April 2001 haben die offizielle Migration bereits stark eingeschränkt. Kamen im Jahr 2000 44’000 Asylsuchende, werden es 2002 voraussichtlich noch 12.500 sein. Entscheide werden immer schneller getroffen. Inzwischen werden 70 Prozent der Asylgesuche bereits innerhalb von vier Tagen abgelehnt. Den abgewiesenen Asylsuchenden werden kurzerhand die Unterhaltsleistungen gestrichen, auch wenn sie noch im Land bleiben können. Ein Teil der Abgewiesenen steckt nämlich noch in einem Verfahren, das sie in den Niederlanden abwarten dürfen. Andere können mangels Papieren nicht ausreisen. Viele dieser Leute landen auf der Strasse, wo sie von ihren Landsleuten, von Kirchen und zahlreichen anderen solidarischen Menschen aufgenommen werden. Sie bilden eine Schattenwelt, in der sowohl grenzenlose humanitäre Hilfe als auch grenzenlose Ausbeutung stattfinden und in der Gesetze keine Bedeutung haben.
Nach meiner Einschätzung zeigen die Wahlen, dass sich viele NiederländerInnen in einer veränderten Umgebung verunsichert fühlen. Das Wegdefinieren der Probleme bringt jedoch keine Lösung. Ich frage mich, ob die neuen vorgeschlagenen Massnahmen nicht dazu führen, dass die Schattenwelt und damit die Unsicherheit noch wachsen. Auf Dauer wird Integration dann eher schwieriger als einfacher werden. Es wird die Aufgabe der AusländerInnen-Lobby sein, die Integration von allen MigrantInnen zu verbessern, Solidarität aufzubauen und vor allem die negativen Auswirkungen und die Widersprüche der neuen Ausländerpolitik aufzuzeigen.
Rian Ederveen
Vluchtelingen in de knel