Eines ist sicher: Selbst wenn es im laufenden Gesetzgebungsverfahren gelänge, noch einige der schlimmsten Spitzen umzubiegen, blieben diese Gesetze inakzeptabel. Das Ausländergesetz ist ein Polizeigesetz gegen die „Fremden“, das von der Diskriminierung und vom Ausschluss all jener lebt, die nicht die Gnade haben, SchweizerInnen oder allenfalls BürgerInnen der EU zu sein. Das Asylgesetz macht das Grundrecht auf Asyl, einst Zierde und Stolz demokratischer Staaten, zur Ausnahme. Es dient nicht mehr dazu, Flüchtlingen Schutz vor Verfolgung zu gewähren, sondern diesen Schutz systematisch zu verweigern. Was läge also näher, als diesen Gesetzen und der kaltschnäuzigen Fremdenfeindlichkeit ihrer UrheberInnen mit dem Mittel entgegenzutreten, das die direkte Demokratie dafür bereit hält, dem Referendum?
So einleuchtend und sympathisch diese Schlussfolgerung auf den ersten Blick erscheint, so zwiespältig ist sie beim genaueren Hinsehen:
Erstens wird niemand ernsthaft zu behaupten wagen, dass wir eines der Referenden gewinnen könnten. Selbst das Referendum gegen die Totalrevision des Asylgesetzes 1999, das vor dem Hintergrund des Flüchtlingselends im Kosovo-Krieg stattfand, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Zweitens ist der Einwand, ein Referendum eröffne die Chance einer breiteren öffentlichen Diskussion, nur zum Teil richtig: Die Medienberichterstattung konzentriert sich mehr denn je auf Parteien und Grossorganisationen. Sie kreist um die Mächtigen der etablierten Politik, nicht aber um Basisgruppen, wie sie die Asylbewegung prägen. Die von den Gesetzen direkt Betroffenen sind in diesem Spiel meist nur Material für gute Geschichten, nicht aber handelnde Subjekte, deren Bedürfnisse und Meinungen man zur Kenntnis nimmt.
Drittens ist bereits das Sammeln der Unterschriften ein enormer Arbeitsaufwand, an dem die Medien vor allem eine (angesichts der Stimmung im Lande durchaus berechtigte) Frage interessiert: Kriegen sie die Unterschriften zusammen oder nicht? Im Abstimmungskampf schliesslich werden wir unsere fehlenden finanziellen Mittel durch unser Engagement ausgleichen müssen. Andere Aktivitäten sind während dieser Zeit weitgehend blockiert.
Es besteht – zusammengefasst – die Gefahr, dass wir mit riesigem Einsatz nichts anderes erreichen als die erneute Bestätigung, dass das «souveräne Stimmvolk» mit den Plänen von Blocher & Komplizen einverstanden ist.
Was also tun? Mit der Kampagne «ohne uns geht nichts.» haben Solidarité sans frontières und weitere Organisationen einen anderen Weg eingeschlagen. Statt nur auf die dauernden Verschärfungen zu reagieren, wollten wir unsere Vorstellungen einer Migrations- und Asylpolitik, die diesen Namen verdient, entwickeln und durch neuartige Aktionsformen verbreiten. Statt uns auf das Geschwätz vom Missbrauch des Asylrechts einzulassen, wollten wir Grundrechte einfordern. Dabei war klar: Ohne die ImmigrantInnen und Flüchtlinge kommt weder dieses Land aus, noch darf eine demokratische Asyl- und Migrationspolitik ohne sie formuliert werden. Ohne sie geht nichts.
Keine taktischen Halbheiten
Diese Perspektive bleibt unsere Richtschnur. Der Entscheid, das Referendum zu ergreifen, ist gefallen und Solidarité sans frontières kann und wird sich dem nicht entziehen. Allerdings dürfen die Referenden gegen AuG und Asylgesetz erstens nicht dazu führen, dass die direkt Betroffenen einmal mehr ausgeschlossen werden. Die von der Asylkoordination Waadt vorgeschlagene Landsgemeinde (S. 9) ist ein organisatorischer Ansatz, um dieser Gefahr entgegenzuwirken. Gerade weil es eine Illusion ist, die Abstimmungen gewinnen zu können, unterstützen wir zweitens keine «taktischen» Halbheiten in der Argumentation. Der Zürcher Stadtpräsident Elmar Ledergerber kämpft gegen die Asylgesetzverschärfung, weil Blochers Repressionsmassnahmen den Städten zu teuer käme. Für uns ist diese Frage zweitrangig: Wir wollen weder eine teure noch eine billige Repression. Wir wollen die Respektierung der Grundrechte aller Flüchtlinge und ImmigrantInnen.
Heiner Busch