autonome schule zürich / Berhanu Tesfaye, Aktivist beim Bleiberecht-Kollektiv und Kursleiter an der Autonomen Schule Zürich (ASZ) wurde am Dienstagnachmittag, 11. Mai 2010, an der Bushaltestelle Kanonengasse verhaftet. Obwohl er in der Exil-Opposition Äthiopiens tätig ist und im Falle einer Rückkehr mit schweren Repressalien zu rechnen hat, hat der Staat sein Asylgesuch abgelehnt und ihn somit illegalisiert. Ihm droht die Ausschaffung. Seit mehr als einem halben Jahr wartet er auf eine Antwort auf sein Härtefallgesuch. Angesichts der bekannt gewordenen Arbeitsweise des Migrationsamts Zürich erstaunt dies nicht. Tesfaye lebt seit zehn Jahren in der Schweiz.
Tesfaye und zwei seiner Kollegen, ebenfalls abgewiesene Flüchtlinge, befanden sich auf dem Nachhauseweg, nachdem sie das Flüchtlingscafe ¬- einen Treffpunkt für Migrantinnen und Migranten - besucht hatten. Ein Streifenwagen mit zwei Polizisten hielt vor der Haltestelle an und kontrollierte die Gruppe. Während die zwei Kollegen nach der Kontrolle nach Hause gehen durften, wurde Tesfaye in Polizeigewahrsam genommen. Angeblich, weil seine Identität nicht festgestellt werden konnte. Seine sofortige Identifikation ist nur deswegen ein Problem, weil das Migrationsamt abgewiesenen Asylsuchenden seit zwei Jahren keine amtlich anerkannten Papiere mehr ausstellt. Mittlerweile wurde Tesfaye ins Kantonsgefängnis Kaserne überführt. Diese Massnahme ist unverständlich. Die Polizei hätte seine Identität ohne weiters innert kurzer Zeit beim Migrationsamt feststellen können. Wir müssen also befürchten, dass ihm eine längere Haft oder sogar die Ausschaffung bevorsteht.
Solche Vorfälle gehören zum Alltag aller illegalisierten Flüchtlinge in der Schweiz und somit zum Alltag im Schulbetrieb der Autonomen Schule Zürich. Illegalisierte Flüchtlinge können jederzeit und überall verhaftet werden. Tesfaye ist der vierte Beteiligte unseres Projekts der ASZ, der in den letzten zwei Monaten festgenommen wurde. Die Konsequenzen der Polizeikontrollen, die vorwiegend Menschen dunkler Hautfarbe betreffen, sind unvorhersehbar und willkürlich. Einmal passiert nichts, wie bei den Kolllegen von Tesfaye. Ein anderes Mal werden die Illegalisierten festgenommen, manchmal für ein bis zwei Tage, manchmal für mehrere Monate. Sogar eine schnelle Ausschaffung ist möglich, wie im Falle der Kolumbianerin Denis Montana, die im September 2009 wenige Tage nach ihrer Festnahme widerrechtlich ausgeschafft wurde. Für Khaled Abuzarifa, Samson Chukwu und Joseph Ndukaku Chiakwa war die Konsequenz der Schweizer Asyl- und Ausländerpraxis sogar der Tod. Sie sind bei gewaltsamen Zwangsausschaffungen ums Leben gekommen.
Der Grund für diese Willkür ist klar: Die Gefängnisplätze sind beschränkt, es gibt nicht genügend Zellen, um alle 150'000-300'000 illegalisierten Migrantinnen und Migranten einzusperren. Die Vorstellung, dass die Schweiz hunderttausende von Menschen nur wegen ihres Aufenthalts in der Schweiz einsperrt und dafür in jedem Dorf ein Gefängnis baut, macht die Absurdität der aktuellen Migrationspraxis deutlich.
Die Schweiz und mit ihr alle Länder der Europäischen Union weigern sich, die Realität anzuerkennen: Menschen kommen aus ärmeren und oder kriegsversehrten Ländern hierher. Sie werden immer kommen. Und sie dienen der Schweiz als Billigstarbeitskräfte ohne jeglichen Rechtsschutz. Es ist höchste Zeit, dass die Schweiz mit einer kollektiven Regularisierung illegalisierter MigrantInnen einen mutigen Schritt weg von dieser heuchlerischen Politik macht.
Um gegen die Verhaftung von Berhanu Tesfaye und die Repression gegen alle illegalisierten MigrantInnen zu protestieren, rufen wir für Mittwoch, 12.Mai 2010, 17 Uhr, zu einer Protestkundgebung vor dem Kantosgefängnis Kaserne Zürich auf.
(Quelle: Aufruf/Medienmitteilung der autonomen schule zürich)