Die Qualität der parlamentarischen Gesetzesarbeit ist im Verlaufe der letzten Jahre auf ein bedenkliches Niveau gesunken. Statt menschlich und auch rechtlich/politisch einwandfreier Problemlösungen produziert eine wechselnde, oft unheilige parlamentarische Allianz Gesetze, die vor der Verfassung, der Bundesgerichtpraxis, der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK oder vor dem Respekt und Würde gegenüber einem Teil der Bevölkerung nicht standhalten. Ein kaum mehr zu überbietendes Beispiel dafür stellt das geplante Ausländergesetz (AuG) dar, gegen das das Referendum erfolgreich ergriffen wird.
Gegen 700 000 Menschen, die seit Jahren regulär in der Schweiz leben und arbeiten werden ausgegrenzt, diskriminiert und der Behördenwillkür unterstellt, neu in hohen Masse auch Schweizer Bürger.
Das Gesetz atmet ein konzentriertes Misstrauen gegenüber Ausländern und auch Schweizern in binationaler Partnerschaft, die allein schon auf Grund des Passes und Herkunftsland mit einem Bein im Gefängnis stehen. Das AuG umfasst zu über einem Drittel strafrechtliche Bestimmungen, neue Straftatbestände, Zwangsmassnahmen und muss als massiv ausuferndes Sonderpolizeirecht gegenüber Personen von ausserhalb der EU und deren Schweizer Partner bezeichnet werden, ohne jedoch vergleichbare Rechte zu gewähren. Grotesk ist die Situation dahin, als dass auf Grund der Bilateralen Verträge EU -Bürger in der Schweiz bezüglich Aufenthaltssicherheit wesentlich besser gestellt sind als hier lebende Nicht-EU Bürger in ehelicher Gemeinschaft mit Schweizer Partner. Binationale Ehepaare, d.h. SchweizerInnen und AusländerInnen von ausserhalb der EU, werden diskriminiert, in der Integration und am Arbeitsmarkt behindert, massiv schlechter gestellt.
Binationale Ehen sollen gemäss AuG vor dem Standesbeamten allenfalls den tatsächlichen zukünftigen Bestand der Ehe nachweisen. Der Zivilstandsvorsteher wird ermächtigt, die Eheschließung zu verweigern oder in der Nachbarschaft über Ausforschungen, Schnüffeleien den Lebenswandel der Brautleute zu kontrollieren; ein unglaublicher Eingriff in die persönlichen Freiheiten und Grundrechte des Schweizer Ehepartners, ein Rückfall ins Mittelalter der Konkubinatsschnüffelei!
Ist ein binationales Paar verheiratet, besteht für Ehen mit Nicht-EU – Bürgern der Zwang zum Zusammenleben, sonst droht Verlust der Aufenthaltsbewilligung und die Ausweisung des Ehepartners .EU- Bürger dagegen sind nicht zum gemeinsamen Haushalt verpflichtet! In lebenswichtigen Fragen wird im AuG, statt mit klaren Rechtansprüchen, mit dem Begriff „nach Ermessen der Behörden“ operiert. Im Klartext bedeutet das, dass je nach Kanton und Beliebigkeit über das Schicksal in Ehe oder Familie nach Willkürlichkeit entschieden wird. Allenfalls wird in Verordnungen, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen, über Aufenthalt, Arbeitswelt oder Familiensituation, auch bei Schweizer Ehepartnern, ge- oder sogar verurteilt.
Das Einschalten von Anwälten und Gerichten wird zum unabwendbaren Zwang.Die Ehefrau eines Schweizer Bürgers erhält nicht mehr schon nach 5 Jahren die Niederlassung, wenn’s gut geht erst in 10 Jahren, nach genügender Integration, mit allen schwerwiegenden Konsequenzen im Arbeitsmarkt. Wie misst man genügende Integration?
Ein Beispiel der behördlichen Willkür: Verstirbt ein Schweizer und hinterlässt eine ausländische Ehefrau mit Kleinkindern, bevor sie die Niederlassung oder den Schweizer Pass erwerben konnte, verliert sie samt den Kindern (mit Schweizer Bürgerrecht) die Aufenthaltsbewilligung und muss das Land mit den Kindern verlassen; verwandtschaftliche Bindungen zur Schweizerfamilie sind den zuständigen Behörden unerheblich!
Der Hinweis in der Präambel des geplanten Ausländergesetzes, „ es regle die Förderung der Integration“ ist blanker Zynismus und Hohn, entmutigt es doch geradezu einen Grossteil der hier lebenden Ausländer und Ehepartner, sich um eine gesicherte Zukunft zu bemühen, weil über willkürliche Ermessens-Entscheide der Behörden die Zukunft der Betroffenen zu einer Lotterie wird; dies auch in wachsendem Masse für beteiligte Schweizer Bürger.
Das Ausländergesetz, so wie vorgeschlagen, löst keine der aktuellen und dringenden Probleme, es schafft im Gegenteil neue. Das vorgeschlagene Ausländergesetz ist eines Landes wie der Schweiz schlicht unwürdig, ein Schandfleck für deren Verfasser und Parlament. Vor der Verfassung, der Rechtssprechung und dem EMRK dürfte dieses Gesetz kaum Bestand und Schutz haben, resp. erfahren.
Ernst W. Haltiner
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