Brief an Lampedusa
Liebe Giusi Nicolini, liebe EinwohnerInnen von Lampedusa
wir sind erschüttert über die Anzahl der MigrantInnen, die immer wieder und viel zu häufig im Mittelmeer ertrinken müssen wenn sie versuchen, nach Lampedusa, ja nach Europa zu gelangen. Deshalb senden wir Ihnen, die dieses Elend an vorderster Front erleben müssen, diesen Brief zu, um Ihnen unsere Solidarität auszudrücken.
Wir möchten Ihnen unsere aufrichtige Anteilnahme am Tod all dieser Menschen ausdrücken. Wir leiden mit Ihnen. Es sind dies unsere Brüder und Schwestern, unsere Kinder und Eltern, die jeden Tag auf der Überfahrt nach Europa verloren gehen. Wir wissen, wie schwierig diese Situation für Sie und die EinwohnerInnen von Lampedusa ist und wir danken Ihnen dafür, all dies täglich zu verkraften.
Wir trauern mit Ihnen und versichern, dass wir die Köpfe nicht hängen lassen und uns weiter engagieren, um diese schreiende Ungerechtigkeit zu überwinden, für die wir uns alle, als EuropäerInnen, verantwortlich fühlen. Wir verlangen von unserer Regierung, das Dublin-Abkommen aufzuheben und Ausschaffungen nach Italien, dessen Hilfskapazitäten auch beschränkt sind, sofort zu sistieren. Wir sind angewidert von der Heuchelei die darin besteht, Trauertage auszurufen um im gleichen Atemzug die Grenzüberwachungen und -kontrollen zu verstärken oder die Schuld auf Schlepper zu schieben, statt das Ausbeutungsverhältnis von Europa gegenüber Afrika anzuprangern. Eine ehrliche Anteilnahme am Schicksal schiffbrüchiger Flüchtlinge lässt sich nicht mit der gleichzeitigen Kriminalisierung ihrer Retter vereinbaren, dies ist in höchstem Masse geschmacklos. Wir lehnen jegliche Form zusätzlicher Überwachung, Repression und Kontrolle des Mittelmeerraums ab und wir wünschen uns, dass diese Menschen, die vor Elend, Gewalt, Armut und Krieg flüchten, auf sicherem Weg nach Europa gelangen können, um hier eine Chance und ihr Recht auf Asyl zu erhalten. Es liegt somit in der gesamteuropäischen Verantwortung, allen diese Menschen, die in Europa Schutz oder einen Ausweg suchen, mit Würde zu begegnen. Deshalb ist es an der Zeit, dass sich die europäische, die italienische und auch die schweizerische Migrationspolitik ändern müssen.
Wir hoffen, dass Lampedusa nicht mehr das Symbol der Verzweiflung bleibt, sondern dasjenige der Hoffnung und Menschlichkeit wird. Und dass darüber ein radikales Umdenken in der europäischen Migrationspolitik stattfindet. Ein neues Europa, offen und gastfreundlich, kann in Lampedusa beginnen.
Wir schicken Ihnen, Frau Nicolini, und all den EinwohnerInnen von Lampedusa, unsere aufrichtigsten Solidaritätsbekundungen und möchten unseren tiefsten Respekt vor Ihrer Anteilnahme mitteilen
Solidarité sans frontières | Bern, Schweiz
In Zusammenarbeit mit dem Europäischen BürgerInnen Forum und der Anlaufstelle für Sans-Papiers Basel
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