Von Nicole Ziegler
Superamt für Migration
Die Diskussion ist so alt wie das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) selbst: Seit das BFF 1990 als eigenständige Institution eingerichtet wurde, debattieren die PolitikerInnen darüber, ob es nicht ins Bundesamt für Ausländerfragen (BFA), seit 2003 Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (Imes), integriert werden sollte. Und gleich alt sind auch die Argumente, die gegen eine solche Integration sprechen: BFA und Imes nahmen bis anhin in erster Linie die Rolle einer eidgenössischen Fremdenpolizei und einer Regulierungsinstanz des Arbeitsmarktes wahr. Beim Asylrecht aber geht es um die Pflicht der Schweiz, Flüchtlingen den Schutz zu geben, den sie brauchen. Hierzu hat sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention auch international verpflichtet. Mit der Zusammenlegung beider Ämter verliert die Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen an Bedeutung, sie verschwindet als ein Teil von vielen im neuen Bundesamt für Migration. Im Vordergrund steht die Regulierung der Einwanderung, egal ob aus Flucht- oder anderen Gründen.
Neben diesen Gegenargumenten war das wichtigste Argument für eine Zusammenlegung, die Fusion könnte gewisse Einsparungen bringen, bisher nie stark genug. Deshalb bestand in dieser Sache die letzten vierzehn Jahre zwischen allen Parteien ein eigentlicher Konsens - mit Ausnahme der SVP. Deshalb nahmen weder alt Justizminister Arnold Koller noch Ex-Justizministerin Ruth Metzler die Idee der Zusammenlegung von BFF und Imes je ernsthaft in Angriff.
Ganz anders agiert nun Metzler-Nachfolger Christoph Blocher: Vor zehn Tagen verkündete der SVPler, dass BFF und Imes per Januar 2005 zusammengeschlossen werden. Begründung: Doppelspurigkeiten in den beiden Ämtern sollen beseitigt und der administrative Aufwand verringert werden. Ausserdem verspricht sich Blocher einen «wirkungsvolleren» Vollzug der Gesetze und, das Schlagwort darf nicht fehlen, eine «bessere Bekämpfung der Missbräuche». Dass die Einsparungen im Amt letztendlich gering sind - 2,5 bis 5 Millionen bei einem Gesamtbudget von rund 980 Millionen Franken -, macht er gar nicht erst zum Thema.
Blochers erster grosser Wurf im Amt als Bundesrat ist ein politischer Angriff auf das bisherige Asyl- und Migrationsrecht und ein Frontalangriff auf die Linke. Denn ein Amt - auch wenn es gross ist - mit nur einem Chef kann Blocher besser kontrollieren als zwei Ämter. Durch die Zusammenlegung fehlt in Zukunft auch die gegenseitige Beobachtung und Korrektur. Und beim angekündigten Abbau von 25 bis 30 Stellen wird Blocher wohl eher ihm nicht genehme Angestellte verabschieden.
Sogar BFF-Interimsdirektor Urs Hadorn äusserte gegenüber der WOZ Zweifel am Projekt: «Bei dieser Zusammenlegung kann es für den zukünftigen Chef schwierig werden, weil er in die Lage kommen könnte, politische Entscheide treffen zu müssen.» So sei es beispielsweise bei der Vereinbarung von Rückübernahmeabkommen mit Ländern aus dem Süden oft so, dass diese sich ein Gegenangebot für die Kooperation wünschten - zum Beispiel in Form von Stagiaires-Plätzen in Schweizer Betrieben. Diese Form von «Tausch» aber ist problematisch, weil sie nach Bezahlung für die Rückübernahme von Flüchtlingen riecht. «Bis jetzt konnte das BFF eine solche Lösung nicht anbieten, weil es schlicht nicht in seiner Kompetenz lag - die Arbeitsmigration hat das Imes geregelt. Beim Bundesamt für Migration wird das anders sein», sagt Hadorn.
Trotz allem bleibt es auf der linken Seite erstaunlich ruhig. Selbst seitens der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) sind moderate Töne zu hören. «Wir sind vorsichtig optimistisch. Unsere Bedenken, wir hätten in einem solchen Riesenamt keine klaren Ansprechpartner mehr und die humanitären Anliegen würden darin untergehen, scheinen unbegründet», sagt Jürg Schertenleib von der SFH. Grund: Das von Blocher vorgestellte Organigramm sieht eine so genannte «Organisationseinheit Asylverfahren» vor, die klar von den anderen abgegrenzt ist. Und: Der zukünftige Direktor des «Superamtes Migration» ist EduardGnesa, bisheriger Imes-Chef, der auch bei den Linken einen guten Ruf geniesst. «Er gilt als hervorragender Jurist. Ihm trauen wir zu, dass er das Völkerrecht kennt und respektiert», sagt Schertenleib. Gnesas beruhigende Wirkung ist gefährlich, gerade für die SP. Die nämlich hat noch nicht einmal gemerkt, welch politischer Zündstoff Blochers Fusionsplan birgt. «Rein organisatorisch betrachtet begrüssen wir die Zusammenlegung von BFF und Imes. Dadurch kann man frei werdende Gelder effizienter einsetzen», assoziiert SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat frei zum Thema.
Was ist los mit den SozialdemokratInnen, dass sie diesen offensichtlichen Angriff aus der rechten Ecke mehr oder weniger ignorieren? «Für mich ist die Reaktion - beziehungsweise Nichtreaktion - meiner Partei unverständlich», sagt die SP-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot-Mangold. Sie ist eine profilierte Politikerin in Ausländer- und Asylrechtsfragen und traut Blochers Projekt überhaupt nicht. «Blocher ist in der Migrations- und Asylpolitik nach wie vor ein durchtriebener Taktiker. Und einen solchen Monsterumbau nimmt er nur aus strategisch-politischen und nicht aus organisatorischen Gründen vor», ist Vermot-Mangold überzeugt. Das Thema aber sei in ihrer Partei eher im Giftschrank untergebracht, man rühre ungern daran. Ihr ist die Enttäuschung über die GenossInnen anzuhören.
«Ich weiss, dass es in der Partei Leute gibt, die vehement gegen dieses Superbundesamt sind. Aber deswegen haben wir keinen Streit», sagt SP-Sprecher Jeannerat dazu. Sein Rezept: «Wir werden sehr genau beobachten, wie Bundesrat Blocher das Projekt ausgestaltet, und gegebenenfalls durch das Parlament eingreifen.» Wenn die SP wollte, würde sie innerhalb des Parlamentes mit den Grünen schon jetzt einen selbstbewussten Partner für den linken Gegenangriff finden. Die nämlich haben gemerkt, worum es geht: «Die Zusammenlegung der beiden Ämter hat genau ein Ziel: die Marginalisierung des Asylrechts. Das ist typisch blochersche Politik», sagt die Grüne Nationalrätin Cécile Bühlmann.
Doch offensichtlich will die SP den Gegenangriff nicht. Sie hat nämlich nicht nur mit den Grünen nicht gesprochen. «Wir haben in der Partei noch nicht darüber geredet, welche Meinung zu diesem Bundesamt wir nach aussen vertreten», sagt Jeannerat. Und eigentlich ist es dafür auch schon zu spät. Blochers Superbundesamt für Migration ist beschlossene Sache.