Liebe Frau Hochuli,
gleich zwei mal sind Sie mir heute in den Sonntagszeitungen unseres Landes begegnet. Einmal vermieten Sie dabei Ihre Wohnung an eine asylsuchende Familie, das zweite Mal sprechen Sie sich für ein „Badi-Verbot“ aus, mit welchem Asylsuchende im künftigen Bundeszentrums Bremgarten AG belegt werden sollen. Dass Asylsuchende bei Ihnen zu Hause wohnen dürfen rechne ich Ihnen positiv an, selbst wenn ich es nicht wirklich nennenswert finde. Sie beherbergen die angolanische Familie zwar nicht kostenlos, sondern bekommen den Mietzins von der Sozialhilfe erstattet. Trotzdem zeigen Sie sich aufgeschlossen, wenn auch (leider) nur gegenüber solchen Asylsuchenden, die ihrem persönlichen Massstab standhalten. Etwas befremdend mutet in dieser Sache höchstens an, dass Tausende von Menschen in der Schweiz regelmässig Asylsuchende bei sich privat aufnehmen, kostenlos, einfach so. In der Zeitung wird darüber allerdings selten geschrieben, und statt einer würdigenden Presse sind die Begleiterscheinungen solch humanitärer Gesten meistens eher Stress mit den Behörden oder gar ein drohendes Verfahren wegen „Erleichterung illegalen Aufenthaltes“. In Ihrem Fall, da zieht die Presse indes „den Hut vor Ihnen“. Warum sie das tut? Wahrscheinlich wegen den Inhalten unserer zweiten Begegnung heute. Sie verteidigen dabei die rigide Hausordnung des zukünftigen Bundeszentrums Bremgarten. Jene Hausordnung, welche vorsieht, dass Asylsuchende weder Sportplätze, noch die örtliche Badi besuchen dürfen. Ihre Begründung dafür:
«Nein, die rigide Hausordnung in Bremgarten stört mich nicht. Denn wenn Asylsuchende in die Schweiz kommen, sollte man ihnen nicht den roten Teppich auslegen. Diese Regeln sind ein Kompromiss, damit die Bevölkerung in Bremgarten den Entscheid mitträgt. Schliesslich muss man sich in vielen Bereichen des Lebens an Regeln halten. Man darf am Wochenende nicht Rasenmähen oder den Hund überall frei laufen lassen.»
Ich möchte Sie als Vorsteherin des Gesundheits- und Sozialdepartements nicht über Fakten belehren, ärgere mich aber schwarz darüber, wenn Sie in genau dieser Funktion davon sprechen, dass wir Asylsuchenden einen roten Teppich auslegen würden. Machen wir das, indem wir ihnen 3.- CHF pro Tag geben, sie nicht arbeiten lassen, ihre Grundrechte beschneiden, sie unterirdisch in Massenschläge einpferchen und sie gerne in andere Staaten wie z.B.Ungarn zurückschicken, von denen wir wissen, dass die Menschenrechte dort nichts zählen? Dies erscheint Ihnen tatsächlich zu komfortabel, Frau Hochuli? Anscheinend, folglich soll es keine Asylsuchenden auf Sportplätzen und schon gar nicht in der Badi geben. Und dies, « [...] damit die Bevölkerung den Entscheid mitträgt.» Doch darum geht es leider nicht. Ein Asylwesen zu gewährleisten ist ein gesellschaftlicher Konsens, der Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, beschützt. Somit ist die Gewährleistung unser aller Pflicht. Und Pflichten behagen zwar nie allen, trotzdem müssen sie im Kollektiv wahrgenommen werden. Dabei geht es nicht an, dass „die Bevölkerung“ ihrer Pflicht nur dann nachkommen möchte (sofern dies überhaupt stimmt...), wenn Konditionen zu Lasten der betroffenen Bevölkerungsgruppe aufgestellt werden. Dies ist die Definition von Diskriminierung. Oder fänden Sie es angebracht, wenn ich Einspruch gegen eine geplante Alterssiedlung erheben und deren Errichtung nur dann akzeptieren würde, wenn gewährleistet wäre, dass die dort lebenden Menschen nicht mehr in die Migros (oder Coop, etc.) gehen dürfen, weil ich mich an der Kasse durch sie aufgehalten fühle? So darf eine aufgeschlossene Gesellschaft nicht funktionieren – und das sollten Sie wissen. Den absoluten Hut setzen Sie dem ganzen aber erst mit Ihren diletantischen Vergleichen auf. Sie sagen ernsthaft: «Schliesslich muss man sich in vielen Bereichen des Lebens an Regeln halten. Man darf am Wochenende nicht Rasenmähen oder den Hund überall frei laufen lassen.» Ob diese Regeln nun sinnvoll sind, sei dahingestellt. Essentiell ist indes: sie gelten für alle gleich. Das Betreten einer öffentlichen Sport- oder Badeanlage einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zu verbieten ist hingegen nichts anderes als eine offene Diskriminierung. Und somit ein absolutes und diskussionsloses No-Go. Unser Asyl- und Ausländerrecht ist bereits gespickt mit solchen Bestimmungen und immer noch gibt es Menschen wie Sie, die trotzdem einen „roten Teppich“ für Asylsuchende verorten. Mit solchen Aussagen verzerren Sie die Wirklichkeit und schüren das ohnehin schon bestehende (und unnötige) Misstrauen gegenüber Asylsuchenden.
Ich bitte Sie deshalb, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen und Kraft Ihres Amtes die sofortige Aufhebung der diskriminierenden Bestimmungen in der Hausordnung des Bundeszentrums Bremgarten AG zu beantragen.
Hochachtungsvoll
Moreno Casasola
Geschäftsführer Solidarité sans frontières