Anni Lanz steht am 6. Dezember 2018 in Brig vor Gericht
Die langjährige frühere Geschäftsführerin von Solidarité sans frontières muss sich am 6. Dezember 2018 vor dem Bezirksgericht Brig verantworten, weil sie am 24. Februar 2018 einen aus Afghanistan stammenden Flüchtling bei Gondo in die Schweiz bringen wollte.
Was wie eine banale Schleppergeschichte tönt, hat einen schlimmen Hintergrund:
Im April 2017 flüchtete der aus Afghanistan stammende Mann namens Tom schwer traumatisiert zu seiner Schwester in die Schweiz. Als Angehöriger der afghanischen Armee war er von den Taliban bedroht, sein Vater an seiner Stelle getötet worden. Als er bereits in der Schweiz war, wurden auch noch seine Frau und sein Kind ermordet.
Tom flüchtete durch verschiedene Länder - zuletzt durch Italien – in die Schweiz. Weil hier seine Schwester und sein Schwager leben, ersuchte er hier erstmals um Asyl. Die Asylbehörden entschieden gleichwohl, dass er sein Asylverfahren in Italien durchlaufen müsse und schickten ihn dorthin zurück.
Anni Lanz besucht seit Jahren regelmässig Gefangene im Basler Ausschaffungsgefängnis Bässlergut. Tom lernte sie im kalten Februar 2018 dort kennen. Er wirkte auf sie stark desorientiert und er litt an starken Kopfschmerzen, Atemnot und Schlaflosigkeit. Weil noch eine Beschwerdefrist lief, rechneten weder Anni noch die Rechtsvertretung von Tom mit seiner unmittelbar bevorstehenden Abschiebung, zumal die Behörden mit ihm keine vorbereitenden Gespräche führten. Ein paar Tage nach dem Besuch wurde Tom nach Mailand ausgeschafft, zwar in ein Asylzentrum gebracht, aber dort sofort wieder weggeschickt. Sein Gepäck mit den warmen Kleidern war verloren gegangen. Deshalb musste er mehrere Nächte ohne Jacke und Mantel im Freien übernachten, bis er nach Domodossola gelangte, von wo er sich bei den Verwandten in der Schweiz melden konnte.
Gemäss mehreren ärztlichen Berichten leidet Tom unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung und benötigt eine intensive psychotherapeutische Behandlung. Er wurde deshalb zwischen Juli 2017 und Januar 2018 vier Mal stationär in einer Psychiatrischen Klinik auf, dazwischen wurde er ambulant behandelt und musste von seiner Schwester und ihrem Mann rund um die Uhr betreut werden, nachdem er von der Tötung seiner Frau mit Kind erfahren hatte. Tom versuchte immer wieder, sich selbst zu töten, auch in der Klinik. Besonders hart traf Ihn der Verlust seiner Familie. Er war deshalb bis am 8. Januar 2018 in stationärer Therapie. Zwei Wochen später, am 22. Januar 2018, wurde er in Dublin Ausschaffungshaft verbracht.
Nach seiner Überstellung nach Mailand landete Tom ohne Gepäck, ohne warme Kleidung, ohne seine schriftlichen Unterlagen und ohne die notwendigen Medikamente in Italien auf der Strasse. Drei Eisnächte und –tage hat er nur dank der Grosszügigkeit von Passanten überlebt. Sie haben ihm Kleider und Essen gebracht und ihn auf ihrem Handy telefonieren lassen. Dies ist nicht selbstverständlich, denn in Italien leben viele obdachlose Flüchtlinge und Passanten fürchten sich häufig vor ihnen. Auch für Tom war das Leben auf der Strasse gefährlich. Menschen ohne den Schutz einer Gruppe werden nachts in Italien oft überfallen und ausgeraubt.
Anni Lanz versuchte Tom in die Schweiz zurückzubringen, da ja für ihn noch immer ein Verfahren lief und aus medizinischer Sicht sein Aufenthalt bei seiner Schwester die richtige Lösung war. Leider wurde sie mit ihrem Schützling und dessen Schwager bei der Grenze Gondo von der Grenzwache aufgegriffen; es gab Strafanzeigen, für Tom längere Einreisesperre und eine Rückführung nach Italien.
Anni Lanz und der Schwager von Tom wurde deshalb mit einem Strafbefehl belegt. Anni soll Tom, einem Ausländer, die rechtswidrige Einreise in die Schweiz erleichtert haben und dafür eine – auf zwei Jahren bedingte - Geldstrafe von 30 Tagessätzen und eine (unbedingten) Busse von Fr. 300 sowie die Verfahrenskosten auf sich nehmen.
Wir helfen mit, Anni zu verteidigen und begleiten sie am 6. Dezember 2018 nach Brig, wo wir uns um 13.00 Uhr vor dem Bezirksgericht Brig im Stockalperpalast treffen.