Ein «Transit»-Abkommen, um abgelehnte Eritreer:innen auszuschaffen (BIS)

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Striche schwarz und pink

Französischer Original-Artikel auf asile.ch

 

Eine Session folgt der anderen

Auch wenn es einigen Journalist:innen, die auf Petra Gössi's Kommunikation hereingefallen sind, nicht gefällt: Die Motion 23.240 der FDP-Politikerin, die den Bundesrat auffordert, mit einem Drittstaat ein Transitabkommen zur Rückführung abgewiesener Eritreer:innen abzuschliessen, ist quasi ein Copy & Paste der Motion ihres Kollegen Damian Müller, die am 19. Dezember 2023 vom Nationalrat abgelehnt wurde (23.3176). Die Motion wurde «knapp» abgelehnt, um zu rechtfertigen, dass Gössi zwei Tage später einen ähnlichen Text einreichte. Wir werden uns nicht mit den kosmetischen Unterschieden aufhalten, sondern uns auf den Kern der von der Verfasserin entwickelten Argumentation konzentrieren.

 

Die Schweiz soll ein Transitabkommen mit einem noch zu identifizierenden Land abschliessen, um abgewiesene eritreische Staatsangehörige in dieses Land abzuschieben. Wie schon Damian Müller zitiert auch Gössi ausführlich den gescheiterten Versuch eines Transitabkommens mit Senegal aus dem Jahr 2002, um wie Damian Müller zu behaupten, dass «die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssten». Nur - und die Antwort des Bundesrates ist hier ganz klar: Das Ziel der Abgeordneten und das mit Senegal ausgehandelte Ziel stimmen nicht überein.

 

Gössi setzt sich für die endgültige Abschiebung von abgewiesenen Eritreer:innen ein. Die Regierung in Asmara weigert sich «kategorisch», sie im Falle von Zwangsausschaffungen wieder aufzunehmen. 

 

Das Abkommen mit Senegal sah eine Durchreise von maximal 72 Stunden vor, während der die notwendigen Schritte für die Rückführung in das Herkunftsland unternommen werden sollten. Andernfalls mussten die Personen in die Schweiz zurückgeführt werden. 

 

Genau dies droht den rund 300 betroffenen Eritreerinnen und Eritreern, wie der Bundesrat in seiner Antwort betont. Der Bundesrat erinnert daran, dass der Widerstand der eritreischen Regierung gegen zwangsweise Rückführungen «alle europäischen Länder betrifft» und dass «die eritreische Vertretung im Drittland den Antrag auf ein Identitätsdokument wahrscheinlich ablehnen würde». Er fügte hinzu, dass ein solches Transitabkommen zwangsläufig eine Klausel über die Rückübernahme durch die Schweiz enthalten müsse, «für den Fall, dass die Überstellung an den Endbestimmungsort nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erfolgt». Er schlussfolgert: «Ein solches Verfahren würde also nichts nützen, ausser zusätzliche Kosten für die Rückkehr und die Aufnahme (in der Schweiz) der betroffenen Personen zu verursachen».

 

Kann sich Petra Gössi ernsthaft vorstellen, dass Eritrea von einem anderen Land akzeptiert, was es der Schweiz verweigert? Oder glaubt sie, dass das betreffende Drittland unsere abgewiesenen Migrantinnen und Migranten endgültig zurücknehmen wird? 

 

Wenn Petra Gössi nebenbei Ruanda (wie Müller) oder Albanien (ein Vorzeigeprojekt der italienischen Populistin Giorgia Meloni) erwähnt, ist klar, dass sie auf die vom Bundesparlament abgelehnte Auslagerung von abgewiesenen Personen abzielt. Das zeigt, auf welchem Terrain und an wessen Seite die frühere Präsidentin der FDP die Schweiz platzieren will. Was die wenigen Gegenargumente betrifft, die wir bereits in unserer Analyse der Motion Müller entwickelt haben, möchten wir an zwei erinnern:

 

1. Um eine Zwangsausschaffung in einen Drittstaat vorzunehmen, ist die Schweiz verpflichtet, die Verbindung der betroffenen Personen zu dem betreffenden Land nach dem Gesetz zu prüfen. Sie muss sicherstellen, dass der Drittstaat die Menschenrechtsstandards einhält und dafür Garantien von der betreffenden Regierung einholen. Langfristig.

 

2. Ein solches Abkommen mit einem Drittstaat birgt das Risiko, dass die Schweiz von diesem Staat abhängig wird. Es lässt sich heute nicht mehr leugnen, dass die Migration zu einem Druckmittel bestimmter Länder gegenüber den europäischen Staaten geworden ist. Das hat man bei den Abkommen zwischen Italien und Libyen oder der Europäischen Union und der Türkei gesehen. Ebenso hat man es auch bei der Operation an der belarussischen Grenze gesehen.

 

Den Finger in diese Spirale zu legen, ist in vielerlei Hinsicht ein teures Spiel. Und das alles für rund 300 Personen, deren Schutzgesuch die Schweiz trotz unzähliger Berichte über die Lage im Land als unbegründet eingestuft hat. 

 

Zur Erinnerung: Der UN-Sonderberichterstatter für die Lage in Eritrea sagte im Mai 2023: 

 

«Ich möchte betonen, dass die Rückführung eritreischer Asylsuchender in ihr Herkunftsland mit Gefahren verbunden ist, weil ein hohes Risiko besteht, dass sie bei der Rückkehr Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.»

 

Dr. Mohamed Abdelsalam Babiker, UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Eritrea, Interview, Mai 2023.