Mit ihrem parlamentarischen Aktionismus in Migrationsfragen führt die SVP eine politische Offensive, die klar darauf abzielt, bestimmte Bevölkerungsgruppen in der Schweiz zu filtern, zu kontrollieren und zu begrenzen. Mit dem Ziel, die Migration zu reduzieren, zielen immer mehr Vorschläge auf das Recht auf Familienleben ab, ohne Rücksicht auf die Grundrechte, die betroffenen Personen oder die langfristigen Auswirkungen auf die Schweizer Gesellschaft. In den letzten parlamentarischen Sessionen gab es daher vermehrt Versuche, das Recht auf Familienzusammenführung einzuschränken oder sogar auszuhöhlen, insbesondere für vorläufig aufgenommene Personen (Ausweis F) sowie für Geflüchtete und andere Kategorien von Ausländer:innen, deren Grundrechte bereits besonders beeinträchtigt sind.
In diesem politischen Kontext ist die Motion 25.4039 der Ständerätin Esther Friedli (SVP, SG) mit dem Titel «Kein Familiennachzug bei Stellvertreterehen» zu sehen. Sie kommt nicht von ungefähr: Sie knüpft an andere Vorstösse an, die beispielsweise darauf abzielten, das Mindestalter für Ehepartner anzuheben, die Altersgrenze für die Familienzusammenführung von Kindern drastisch zu senken oder das Recht auf Familiennachzug von der vorherigen Rückzahlung der bezogenen Sozialhilfe abhängig zu machen. All diesen Massnahmen ist gemeinsam, dass sie ein Grundrecht – das Recht auf ein Familienleben – in ein de facto unzugängliches Recht verwandeln, insbesondere für Personen aus dem Asylbereich.
Ein femonationalistischer und antimuslimischer Diskurs
Die Problematik der Motion Friedli liegt jedoch nicht nur in ihrem rechtlichen Inhalt, sondern vor allem in der Diskursverschiebung, der sie dient. Sie fügt sich nahtlos in einen Diskurs ein, den man als femonationalistisch und antimuslimisch bezeichnen kann. Femonationalismus bezeichnet eine politische Strategie, die darin besteht, Gewalt gegen Frauen und Themen der Geschlechtergleichstellung für rassistische und fremdenfeindliche Zwecke zu instrumentalisieren. Konkret bedeutet dies, dass rechtsextreme Kräfte sich feministische Anliegen wie den Schutz von Frauen, Kampf gegen das Patriarchat und Emanzipation zu eigen machen, um sie fast ausschliesslich gegen Männer zu richten, die als Ausländer und vor allem als Muslime wahrgenommen werden. In dieser Darstellung präsentiert sich die Mehrheitsgesellschaft als bereits gleichberechtigt und emanzipiert, während der «Andere», der Muslim, der Migrant, der Nicht-Europäer, das zu bekämpfende Patriarchat verkörpert.
In der Schweiz ist diese Dynamik Teil eines Klimas, in dem in politischen Kampagnen regelmässig offen rassistische Bilder verwendet werden und eine wachsende Zahl parlamentarischer Vorstösse den «Islam» als Bedrohung darstellen. Die Abstimmungen über das Minarettverbot oder das Verbot der Gesichtsverschleierung haben gezeigt, wie akzeptabel es geworden ist, dass die Mehrheit über die Rechte von Minderheiten entscheidet. Das Geschlecht spielt dabei eine zentrale Rolle: Im Namen des Schutzes und der Emanzipation der Frauen werden Massnahmen gerechtfertigt, die in Wirklichkeit darauf abzielen, die Rechte bestimmter Personengruppen einzuschränken.
Die Motion 25.4039 folgt genau diesem Schema. Sie fordert ein automatisches Verbot der Familienzusammenführung, wenn die Ehe durch einen Bevollmächtigten geschlossen wurde, d. h. in Abwesenheit mindestens eines der Ehepartner:innen, die dann durch eine bevollmächtigte Person vertreten wird. In ihrem Text macht die Antragstellerin nicht einmal den Versuch, die kulturalistische und femonationalistische Dimension ihrer Argumentation zu verbergen: Sie behauptet, dass in «patriarchalischen Kulturen» und «islamischen Ländern» Ehen durch Stellvertreter weit verbreitet seien. Sie stellt Situationen als typisch dar, die in unserer täglichen Arbeit nur seltene und aussergewöhnliche Fälle darstellen. Ohne sich auf konkrete Daten zu stützen, suggeriert sie, dass Frauen von ihren Angehörigen mit Personen verheiratet werden, die über eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz verfügen, ohne sich frei eine Meinung über die Ehe «nach hiesigen Massstäben» bilden zu können. Muslimische Frauen werden so als Wesen ohne Autonomie dargestellt, die keine Wahlmöglichkeiten haben und auf den Status passiver Opfer reduziert werden, die vom Schweizer Staat (und nach Friedlis paradoxer Logik durch die Verweigerung der Einreise) «geschützt» werden müssen.
Ausgehend von diesem Klischee suggeriert der Antrag, dass diese Ehen, da sie in einem vermeintlich patriarchalen kulturellen Rahmen geschlossen wurden, nach der Zusammenführung in der Schweiz ohnehin nicht stabil wären. Friedli nennt dann die ihrer Meinung nach logischen Folgen dieser Familienzusammenführungen: Überlastung der Polizei, der Frauenhäuser, der Opferhilfe, der Interventionsdienste, der Strafverfolgungsbehörden und eine Belastung für die öffentlichen Finanzen.
Diese Argumentation basiert auf groben Stereotypen und einer bewussten Verwechslung von Stellvertreter- und Zwangsheirat. Sie vermischt eine rechtliche Form der Eheschliessung – die Heirat durch einen Stellvertreter – mit fehlender Zustimmung, ohne die konkreten Situationen zu berücksichtigen, beispielsweise die von Paaren, die durch Krieg, Exil oder schwer zu überwindende Grenzen getrennt sind. Das geltende Schweizer Recht bietet jedoch bereits präzise Instrumente zur Behandlung problematischer Situationen, ohne dass ein generelles Verbot eingeführt werden müsste.
Als konkretes Beispiel begleitet elisa-asile derzeit eine Person, die ihr Land dringend verlassen und ihren Partner zurücklassen musste, obwohl ihre Hochzeit bereits geplant war. Die Trauung konnte vor der Flucht nicht stattfinden, und das Paar konnte schliesslich durch einen Bevollmächtigten heiraten. Eine solche Konstellation wäre künftig von jedem Verfahren zur Familienzusammenführung ausgeschlossen.
Ein rechtlich unnötiges und politisch stigmatisierendes Projekt
Was die Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen betrifft, sieht das Schweizerische Internationale Privatrecht vor, dass eine im Ausland gültig geschlossene Ehe grundsätzlich anerkannt wird, sofern sie nicht offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung verstösst. Die Eheschliessung durch einen Bevollmächtigten ist eine Form der Eheschliessung, die im Recht einiger Staaten vorgesehen und geregelt ist. Die Rechtsprechung und die Lehre sind eindeutig: Eine Ehe durch Stellvertreter verstösst an sich nicht gegen die öffentliche Ordnung, sofern die Ehegatten diese Verbindung als Grundlage ihres Ehelebens betrachten und die Vollmacht auf einer freien und gültigen Zustimmung beruht (JICRA 2006/7 consid. 4.7; Illes, Ruedi, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Handkommentar AIG, 2024, Art. 85 N 26).
Die Behörden verfügen über ausreichende Mittel, um Fälle abzulehnen, in denen die Ehe offensichtlich erzwungen, betrügerisch oder nur zum Zweck des Erwerbs einer Aufenthaltsbewilligung geschlossen wurde. Die Tatsache, dass eine Ehe durch einen Bevollmächtigten geschlossen wird, sagt an sich nichts über die Beziehung zwischen den Ehegatten aus – weder über deren Qualität noch über deren Dauer: Viele Ehen durch Bevollmächtigte betreffen Personen, die seit vielen Jahren in einer Beziehung leben. Es gibt objektiv keinen Grund zu der Annahme, dass diese Ehen anfälliger für «Missbrauch» sind als Ehen, die in Anwesenheit beider Ehepartner geschlossen werden. In jedem Fall ist es bereits Aufgabe der Behörden, zu überprüfen, ob die Ehe gültig ist und auf freier Zustimmung beruht; das derzeitige System sieht also bereits die notwendigen Instrumente zur Kontrolle möglicher «Missbräuche» vor. Die Einführung eines generellen Verbots der Familienzusammenführung für alle durch einen Bevollmächtigten verheirateten Paare würde bedeuten, dass sehr unterschiedliche Situationen unterschiedslos behandelt würden, darunter auch Verbindungen, in denen beide Personen frei zugestimmt haben und lediglich zu ihrem Partner ziehen möchten.
Ein solches automatisches Verbot würde einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens darstellen, das insbesondere durch Artikel 8 der EMRK garantiert ist. Durch die Abschaffung jeder Möglichkeit einer individuellen Prüfung würde es die Realität der Beziehungen, das mögliche Vorhandensein von Kindern, die Dauer des Zusammenlebens über grosse Entfernungen hinweg und die konkreten Gründe, aus denen die Ehe durch einen Bevollmächtigten geschlossen wurde, ausser Acht lassen. Die Beschränkung der Familienzusammenführung auf der Grundlage der allgemeinen Annahme, dass bei einer Ehe durch einen Bevollmächtigten die persönliche Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung der betroffenen Personen zwangsläufig stark eingeschränkt sind, kann nicht als verhältnismässig angesehen werden. Eine derart radikale Massnahme ist daher mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit kaum vereinbar.
Wenn tatsächlich ein Problem der Einwilligung oder des Zwangs vorliegt, sieht das Gesetz bereits die Möglichkeit vor, die Anerkennung der Ehe oder den Familiennachzug zu verweigern. Die Hauptwirkung der Motion liegt woanders: in der verstärkten Stigmatisierung von Muslimen, die als Träger eines fremden und bedrohlichen Patriarchats dargestellt werden, und in der Legitimierung einer wachsenden Feindseligkeit gegenüber dieser Minderheit.
In diesem Sinne ist der Antrag Friedli ein typisches Beispiel für Femonationalismus: Im Namen der Frauenrechte wird eine weitere Einschränkung eines Grundrechts für bestimmte Kategorien von Migrant:innen, insbesondere Muslim:innen, gerechtfertigt und gleichzeitig ein islamfeindliches Klima in der Schweiz geschürt. Weit davon entfernt, Frauen zu schützen, stärkt diese Art von Politik vor allem die Fähigkeit des Staates, Leben zu kontrollieren, auszugrenzen und zu hierarchisieren, indem er entscheidet, welche Familien das Recht haben zu existieren und welche auf dem Altar der politischen Agenda geopfert werden können.