Bundesasylzentren: Wann folgt der Paradigmenwechsel?

Artikel
Zeichnung eines Stacheldrahts

Im April 2024 verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des Asylgesetzes, durch die die Sicherheit in den Bundesasylzentren (BAZ) erhöht werden soll. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat den Gesetzentwurf Ende Juni angenommen und nun steht er auf der Tagesordnung der Herbstsession. Obwohl dringend überfällig, wird er die systemische Gewalt und die Entmenschlichung, die in den Bundesasylzentren vorherrschen, in keiner Weise beenden.


Zur Erinnerung: Der Gesetzentwurf soll die im Oberholzer-Bericht aufgedeckten Mängel beheben, der Gewalttaten gegen Asylsuchende in den BAZ untersuchte. Es ging dabei um gewalttätiges Sicherheitspersonal, um Isolationszellen, die ohne Rechtsgrundlage genutzt wurden, und um gefälschte Berichte, durch die diese rechtswidrigen Praktiken verschleiert wurden (siehe unsere Dokumentation hier und hier). Für die Verwaltung geht es daher darum, einen gesetzlichen Rahmen für Durchsuchungen, Zwangs- oder Disziplinarmassnahmen zu schaffen und die Aufgaben zu präzisieren, die an Dritte delegiert werden können, insbesondere solche, die die Sicherheit und Ordnung in den BAZ betreffen. Die im April vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind das Ergebnis einer Vernehmlassung, an der auch die Centres sociaux protestants (CSP) teilgenommen haben. Wir begrüssten dabei die Absicht, Gesetze gegen gewalttätige und oft undurchsichtige Praktiken zu erlassen, hielten die Änderungen jedoch für weitestgehend unzureichend, da den Bedürfnissen der Asylsuchenden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, obwohl ihre Grundrechte betroffen sind.


Willkommene Änderungen trotz eklatanter Mängel
Der Bundesrat nahm in der endgültigen Fassung Gesetzentwurfs weitere Änderungen vor und griff auch Forderungen der Asylorganisationen auf: zum Beispiel die ausdrückliche Erwähnung des Verhältnismässigkeitsprinzips bei der Anwendung von polizeilichem Zwang und vorübergehender Festhaltung, sowie eine Klarstellung, dass alle Disziplinarmassnahmen schriftlich angeordnet und Hinweise zu möglichen Rechtsbehelfen enthalten müssen (Asylsuchende können gegen eine Disziplinarmassnahme nun innerhalb von drei Tagen Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz des SEM einlegen, nicht jedoch bei einem unabhängigen Organ. Das Beschwerderecht ist zudem nicht im Mandat des Rechtsschutzes enthalten). Eine weitere wichtige Verbesserung betrifft die Verlegung in die besonderen Zentren – die Zentren für «renitente Asylsuchende». Bisher konnte diese Sanktion nur im Rahmen einer Beschwerde gegen den Asylentscheid angefochten werden, zum Teil erst Jahre später. Nun ist es möglich, sie in einer separaten Beschwerde anzufechten, wenn der Asylentscheid nicht innerhalb von 30 Tagen nach Einweisung in das besondere Zentrum getroffen wird. 


Andere wichtige Forderungen wurden hingegen nicht berücksichtigt. Leibesvisitationen werden zum Beispiel weiterhin systematisch durchgeführt und nicht nur bei konkreten Verdachtsfällen. Der Gesetzentwurf sieht auch keine Möglichkeit vor, das Geschlecht der Person zu wählen, die eine solche Durchsuchung durchführt. Und obwohl er festlegt, dass die Interessen Minderjähriger angemessen zu berücksichtigen sind, wurden 15- bis 18-Jährige weder von den Durchsuchungen noch von Disziplinarmassnahmen oder vorübergehender Festhaltung ausgenommen. Hinzu kommt, dass das Verbot des Waffengebrauchs bei Einsätzen des Sicherheitspersonals zwar beibehalten wurde, dieses Verbot jedoch nicht auf Hilfsmittel wie Handschellen, Ketten oder Diensthunde ausgeweitet wurde. Schliesslich – und das zeigt, wie wenig die Verwaltung das Sicherheitsbedürfnis der Betroffenen priorisiert – wurde keine Rechtsgrundlage für eine unabhängigen Beschwerdestelle für die BAZ-Bewohner:innen geschaffen, die diesen Namen verdient hätte.


Reicht das aus?
Tatsächlich wurden hier und da einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Klarstellungen vorgenommen. Dennoch bleibt der Eindruck der Pflästerlipolitik. Es bleibt dabei, dass die Bundeszentren Orte der Autorität und Gewalt sind, umgeben von Zäunen und Stacheldraht, geprägt vom Sicherheitsdienst, Leibesvisitationen und Disziplinarmassnahmen, Anwesenheitskontrollen, strikten Hausordnungen, eingeschränkten Rechten, geografischer Isolation und Promiskuität, langen Wartezeiten, erzwungenem Müssiggang und Infantilisierung. Hinzu kommt eine unzureichende sozio-sanitäre Betreuung durch private Unternehmen, für die Finanz- und Managementlogiken Vorrang vor der Qualität der Gesundheit und der Pflege haben; Unternehmen, an die die Aufgaben bloss «delegiert» werden, mit allem, was das an unnötiger Bürokratie und Verwässerung der Verantwortlichkeiten mit sich bringt.


Innerhalb dieses privatisierten Disziplinarregimes schadet es nicht, wenn dem Sicherheitspersonal Zügel angelegt werden und die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen besser geregelt wird, wenn die Marginalisierung ein wenig abgeschwächt wird. Es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Konzept der grossen und isolierten Bundeszentren an sich (in denen Hunderte Menschen für lange Zeit unter gefängnisähnlichen Bedingungen und mit mangelhafter Betreuung zusammengepfercht werden) alles andere als einladend ist und nur zu Gewalt und Entmenschlichung führt. Wir können es nicht oft genug wiederholen: Es ist das gesamte System der Bundesasylzentren, das im Sinne einer echten Politik der Aufnahme, der Zuflucht und der Gastfreundschaft überdacht werden muss.