Besessen von schnelleren Ausschaffungen

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zeichnung eines Mensch schreiend

Der Mitte-Ständerat Daniel Fässler reichte einen Vorstoss ein, mit dem er den Bundesrat aufforderte, Ausschaffungsentscheidungen schneller und konsequenter zu vollziehen. Der Mitte-Politiker bedauert insbesondere, dass nicht alle Kantone die Ausschaffungen mit gleichem Eifer vollziehen und dass ein Urteil des Bundesgerichts einem dieser Kantone Recht gegeben hat.
 

Abschaffungen sind bereits in vollem Gange

Der Bundesrat schlägt vor, die Motion abzulehnen. Begründung: Die Schweiz sei bereits auf dem neuesten Stand. In der Tat: Ausschaffungen als politische Priorität zur Bewältigung einer Migrationskrise, die eher eine selbsterfüllende Prophezeiung als ein tatsächliches Szenario ist, sind seit langem auf dem Vormarsch. Im Januar arbeitete Beat Jans beim WEF daran, Zwangsausschaffungen in den Irak zu intensivieren, und dem zukünftigen Direktor des Staatssekretariats für Migration (SEM), Vincenzo Mascioli, gelang es, wieder Ausschaffungen nach Afghanistan durchzuführen, indem er das klassische Argument der Kriminalität benutzte. Ein Artikel von Basil Weingartner in der WOZ zeigte kurz darauf, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit jedoch zu relativieren ist. Schliesslich kündigte der Bundesrat einen Anstieg der Ausschaffungen aus der Schweiz um 20% im Vergleich zum Vorjahr an.
 

Die Realität der Ausschaffungen
Die Schweiz verfügt über sehr gewalttätige Mittel zur Durchführung von Ausschaffungen und setzt diese auch ein: Sonderflüge und Nothilfe. Eine schnellere und systematischere Durchführung von Ausschaffungsentscheidungen würde diese Gewalt noch verstärken. Sonderflüge kosten durchschnittlich CHF 13.000 pro ausgeschaffter Person, ohne Polizeibegleitung (für die mindestens die Hälfte dieses Betrags anfällt). Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter berichtet jedes Jahr von unverhältnismässiger Gewaltanwendung und Menschen laufen Gefahr, durch ihre Ausschaffung retraumatisiert zu werden. Wir schätzen, dass es mindestens zwei Dublin-Sonderflüge pro Monat nach Kroatien gibt. Was die Nothilfe betrifft, so zeigen der Bericht und die Rechtsgutachten, die von der Eidgenössischen Migrationskommission in Auftrag gegeben wurden, sehr deutlich, dass dieses System im Widerspruch zur Kinderrechtskonvention und zur Schweizer Verfassung steht.
 

Falsche Lösung
Eine Partei, die für Freiheit, Solidarität und Verantwortung eintritt, muss sich bemühen, Vorschläge zu machen, die mit diesen Werten übereinstimmen. Im Fall des Asylrechts erfordert dies zwar eine Anstrengung der Vorstellungskraft, da die Debatte so sehr von Rechtsextremen infiziert wurde, aber man muss standhaft bleiben. Wenn es in der Schweiz eine Asylkrise oder ein Asylchaos gibt, dann liegt das jedenfalls nicht an der Zahl der Ankünfte, die im europäischen Vergleich extrem niedrig ist. Es liegt daran, dass das System durch Einsprüche gegen übereilte Entscheidungen verlangsamt wird, dass bestimmte Genehmigungen die sozioökonomische Autonomie der Personen verhindern und sie dazu verurteilen, im Asylsystem zu verbleiben, anstatt einen Status zu erlangen, der dem der Schweizer Bevölkerung gleichgestellt ist, und dass bestimmte schwerwiegende Rückführungsentscheidungen beibehalten werden, obwohl das SEM die Möglichkeit hat, von einer humanitären Klausel Gebrauch zu machen.
 

Und noch etwas: Das von Ständerat Fässli beklagte Urteil des BGH betrifft eine nicht vollzogene Ausweisung durch den Kanton Neuchâtel, um einen jungen Vater nicht von seiner Partnerin und seinem ungeborenen Kind zu trennen. Quo vadis, Familienpartei «Die Mitte»? Härte in Asylfragen zu zeigen ist offenbar wichtiger als Einzelfälle zu betrachten, Empathie zu zeigen und die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, um Grundrechte wie das auf Familienleben zu schützen. Das ist weder solidarisch noch verantwortungsvoll.