Nach dem Nationalrat wird sich am 18. Dezember auch der Ständerat mit einer Änderung des Asylgesetzes (24.038) bezüglich der Sicherheit und des Betriebs der Bundesasylzentren (BAZ) befassen. Zur Erinnerung: Der Entwurf des Bundesrates will die Mängel beheben, die durch die Untersuchung des ehemaligen Bundesrichters Oberholzer[1] aufgedeckt wurden, die im Anschluss an die in den BAZ verübten Gewalttaten gegen Asylsuchende durchgeführt wurde[2]. Er soll einen gesetzlichen Rahmen für Praktiken wie Durchsuchungen, Zwang oder Disziplinarmassnahmen schaffen und die Aufgaben präzisieren, die an Dritte delegiert werden können, insbesondere jene, die die Ordnung und Sicherheit betreffen. Während der Anhörung begrüsste das CSP Genf die Absicht, Gesetze gegen gewalttätige und oft undurchsichtige Praktiken zu erlassen, hielt die Änderung jedoch für weitgehend unzureichend, da den Bedürfnissen von Asylbewerbern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, obwohl diese Massnahmen ihre Grundrechte berühren[3]. In dieser Hinsicht enthält die letzte Fassung, die von der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) geändert wurde, einige besonders besorgniserregende Vorschläge.
Minderjährige unzureichend geschützt
Als einzigen positiven Vorschlag schlägt die Mehrheit der SPK-S vor, mehrere Bestimmungen einzuführen, die es ermöglichen, die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen zu berücksichtigen (Art. 9 Abs. 3 AsylG und Art. 25 Abs. 1 Bst. d AsylG). Während Kinder weder von Durchsuchungen noch von Disziplinarmassnahmen oder der Möglichkeit der vorläufigen Inhaftierung ausgeschlossen wurden, ist es von entscheidender Bedeutung, diese Bestimmungen, die das besondere Schutzbedürfnis von Minderjährigen verankern, zumindest beizubehalten und den Rahmen des Internationalen Übereinkommens über die Rechte des Kindes einzuhalten. Darüber hinaus sollte, wie von der Minderheit in Art. 25b Abs. 1 AsylG vorgeschlagen, die Massnahme der vorläufigen Inhaftierung, sofern sie nicht abgeschafft wird, Erwachsenen vorbehalten bleiben.
Der Gebrauch von Waffen muss unbedingt verboten werden
Im Übrigen sind wir besonders besorgt über den Vorschlag der Minderheit, der verlangt, dem Sicherheitspersonal der BAZ den Gebrauch von Waffen zu erlauben (Art. 25 Abs. 3 und 25c Abs. 6 AsylG). Es sei daran erinnert, dass Hilfsmittel wie Handschellen, Wasserstrahler oder Reizstoffe bereits eingesetzt werden dürfen. Waffen in die Hände von Privatunternehmen zu geben, die im Auftrag des Staatssekretariats für Migration (SEM) handeln, wäre im Rahmen von Disziplinarmassnahmen und nicht von Polizeieinsätzen völlig unverhältnismäßig.
In Bezug auf die Disziplinarmassnahmen selbst schlägt die Mehrheit der SPK-S vor, die Massnahme des Ausschlusses von den Gemeinschaftsräumen zu verschärfen, indem ihre Höchstdauer auf 10 Tage erhöht wird, gegenüber 72 Stunden im Entwurf des Bundesrates (25a Abs. 3 Bst. d). Es sei daran erinnert, dass die Verhaltensweisen, die durch diese Art von Massnahme sanktioniert werden, nicht unter das Strafrecht fallen, sondern lediglich die Missachtung einer Anweisung darstellen. Zehn Tage Einschluss in einem Zimmer oder einem bestimmten Flügel eines Zentrums wären ein viel zu starker Eingriff in die persönliche Freiheit.
Rechtsmittel aufrechterhalten
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist, dass eine Minderheit der SPK-S die Möglichkeit der Beschwerde gegen Disziplinarmassnahmen streichen will (Art. 25a Abs. 5). Zudem will die Mehrheit die Möglichkeit ausschliessen, beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) gegen Entscheide über die Zuweisung in ein spezielles Zentrum für «renitente Asylsuchende» Beschwerde einlegen zu können (Art. 25a Abs. 4, Art. 25a Abs. 6, Art. 107 Abs. 3 AsylG). Gegenwärtig kann diese Sanktion nur bei einer Beschwerde gegen den Asylentscheid angefochten werden, manchmal erst Jahre später. Aufgrund des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf müssen die durch den Entwurf des Bundesrates eingeführten Rechtsbehelfe unbedingt beibehalten werden.
Weitere problematische Vorschläge
Schliesslich fordern wir den Ständerat auf, die vom Nationalrat in Art. 9 AsylG eingeführte Durchsuchung von elektronischen Geräten abzulehnen, da diese Massnahme einen unverhältnismässigen Eingriff in die Grundrechte der Person und den Datenschutz darstellt.
Generell wiederholen wir, dass dieser Gesetzesentwurf zwar einen Schritt nach vorne darstellt, aber leider die strukturellen Probleme der BAZ nicht angeht, die Auswirkungen auf die Verwundbarkeit und Entmenschlichung von Asylsuchenden haben. In diesem Sinne reicht der Gesetzesentwurf nicht aus, um ein Klima der Sicherheit und einen sicheren Rahmen zu schaffen, in dem Menschen ihre Geschichten und Asylgründe darlegen können. Wir bedauern, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Einrichtung einer unabhängigen Melde- und Beschwerdestelle für Asylsuchende gibt. Ebenso fehlt eine gesetzliche Grundlage für eine bessere Prävention von psychischer Gesundheit und Suizid in den BAZ. Die oben aufgeführten Punkte stellen ein Minimum dar, um die Grundrechte von Personen im Exil, die in der Schweiz um Schutz ersuchen, zu wahren.
[1] Niklaus Oberholzer, Bericht über die Abklärung von Vorwürfen im Bereich der Sicherheit in den Bundesasylzentren, 30.09.2021.
[2] Amnesty International, Menschenrechtsverletzungen in den Schweizer Bundesasylzentren, Bericht, Mai 2021. Giada de Coulon, Violences dans les centres fédéraux d'asile, asile.ch, 07.05.2021; Sophie Malka, Audit sur les violences dans les centres fédéraux: au-delà de l'exercice de communication, décryptage, Vivre Ensemble VE 185, Dezember 2021.
[3] Centre Social Protestant, Antwort auf die Vernehmlassung zum Vorentwurf zur Änderung des Asylgesetzes: Sicherheit und Ausbeutung in den Zentren des Bundes, 03.05.2023. Siehe auch, Raphaël Rey, Bundesasylzentren: Zwang als einzige Lösung?, VE 193, Juni 2023; Raphaël Rey, Bundesasylzentren: Wann kommt der Paradigmenwechsel?, asile.ch, 12.09.2024.