Migrationspolitik à la Trump: Grenzschliessung, Entrechtung, Massenausschaffung

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Grenzschliessungen

Das Parlamentsjahr 2024 ging im Dezember mit einem Herzschlagfinale im Ständerat zu Ende. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 20 zu 18 Stimmen bei 4 Enthaltungen und 4 Absenzen konnte das von der SVP geforderte und vom Nationalrat bereits abgesegnete Verbot des Familiennachzugs für vorläufig Aufgenommene gerade noch abgewendet werden. Der grosse Einsatz der Zivilgesellschaft, der Hilfswerke und der progressiven Parteien hatte sich gelohnt.


Ein bitterer Nachgeschmack blieb trotzdem. Die extrem restriktiven Bedingungen für den Familiennachzug von vorläufig Aufgenommenen bestehen unverändert fort und auch für 2025 ist bereits absehbar, dass die progressiven Kräfte weiterhin vor allem mit Abwehrkämpfen gegen die Trump’sche Asyl- und Migrationspolitik der SVP beschäftigt sein werden.

 

Die SVP gibt nicht auf

Noch am Tag der Abstimmung verlangte SVP-Ständerat Jakob Stark mit der Motion 24.4444, die restriktiven Bedingungen für den Familiennachzug von vorläufig Aufgenommenen auch auf alle anderen Familiennachzugsverfahren auszuweiten und den Nachzug nur noch Ehepartner:innen über 24 Jahre und Kindern unter 15 Jahre zu gestatten. Nur einen Tag später reichte SVP-Nationalrat Christoph Riner die Motion 24.4506 ein, der zufolge vorläufig Aufgenommene, die ihre Familien nachziehen möchten, nicht nur von der Sozialhilfe unabhängig sein müssen, sondern auch bereits bezogene Sozialhilfe zurückgezahlt haben müssen. 


Schon in der Herbstsession hatte die SVP eine parlamentarische Initiative lanciert (24.453), die auch den Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen an die restriktiven Bedingungen von vorläufig Aufgenommenen binden will. Gleichzeit verlangt sie die ersatzlose Streichung der Nothilfe für abgewiesene Asylsuchende, falls diese keine Kinder haben. Als letztes folgte die Motion 24.4588 des «SVP-Asylchefs» Pascal Schmid, die fordert, dass Asyl nur noch befristet für zwei Jahre gewährt wird und nicht mehr zu einer (kantonalen) Aufenthaltsbewilligung B führt, sondern nur zu einer einfachen bundesrechtlichen Bewilligung. Mit dieser faktischen Entrechtung sollen Rekursmöglichkeiten im Falle eines Widerrufs der Aufenthaltsbewilligung eingeschränkt werden.


Grenzschutz-Initiative ante portas
Weiterhin bewirtschaftet die SVP auch ihre noch bis November 2025 laufende Grenzschutz-Initiative «Asylmissbrauch stoppen!». Diese zielt auf nichts anderes ab, als auf die Abschaffung des Asylrechts. Neben systematischen Kontrollen an den Schweizer Landesgrenzen fordert die Initiative, dass Asylsuchenden die Einreise aus sicheren Drittstaaten verweigert wird und diese weder einen Asylantrag stellen noch eine vorläufige Aufnahme erhalten können. Gleichzeitig soll ein jährliches «Asylgewährungskontingent» von maximal 5000 Personen festgelegt werden. Alle undokumentiert Eingereisten sollen innerhalb von 90 Tagen ausser Landes gewiesen, aus der Krankenversicherung, der IV und der AHV ausgeschlossen und ihre Arbeitsverträge für nichtig erklärt werden. Vorläufige Aufnahmen sollen zudem gar nicht mehr erteilt und dem entgegenstehende internationale Verträge gekündigt werden.


Vor allem die Forderung nach einem Verbot von Asylverfahren bei Einreise aus einem Nachbarland ist schon mehrfach vom Parlament abgelehnt worden. Trotzdem trug die SVP sie in der Wintersession noch einmal ins Parlament. Mit den zwei gleichlautenden Motionen 24.4318 im Ständerat und 24.4321 im Nationalrat beabsichtigt sie, das Parlament erneut vor sich herzutreiben und in den öffentlichen Debatten Stimmung für ihre verfassungs- und völkerrechtswidrige Volksinitiative zu machen.

 

Gleichzeitig schwebt über all dem weiterhin die Motion «Schutz der Schweizer Landesgrenzen» (23.4448) von Ex-SVP-Präsident und Ständerat Marco Chiesa, die neben Zurückweisungen von Geflüchteten auch systematische Kontrollen der Schweizer Grenzen verlangt. Zwar wird auch diese Motion in der Frühjahrssession des Ständerates wohl abgelehnt werden. Trotzdem näherte sich die vorberatende Staatspolitische Kommission des Ständrates Chiesa's Extrempositionen im Februar 2025 erstmals ein wenig an. Mit der Motion «Intensivierung der Grenzkontrollen an der Schweizer Landesgrenze» (25.3021) brachte sie einen Kommissionsvorstoss ein, der die Anzahl der Kontrollen an den Schweizer Grenzen signifikant erhöhen will und sich explizit gegen undokumentierte Transitflüchtende richtet, die in der Schweiz keinen Asylantrag stellen wollen. 

 

Deportationsfantasien à la Trump
Das dritte Ziel des asylpolitischen Trommelfeuers der SVP sind massenhafte Ausschaffungen von straffälligen Geflüchteten, die ihr angebliches «Gastrecht» verwirkt hätten. So verlangt SVP-Nationalrat Mike Egger in der Motion 24.3885, dass Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge, die für ein Vergehen bestraft wurden, automatisch ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz verlieren und das Land verlassen müssen. Esther Friedli doppelt im Ständerat mit Motion 24.4429 ganz im Sinne der Durchsetzungsinitiative von 2016 nach – als hätte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz nicht gerade erst für seine zu strikte Anwendung der obligatorischen Landesverweisung verurteilt.

 

Getoppt werden diese Deportationsphantasien nur noch durch SVP-Ständerat Pirmin Schwander, der die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden, Abgewiesenen und Sans-Papiers bereits ab der Eröffnung eines Strafverfahrens wegen eines Vergehens «konsequent einschränken» will, und zwar «durch Eingrenzung und Unterbringung in besonderen Zentren oder durch dauernde Überwachung mit geeigneten Mitteln» (Motion 24.4495).

 

Wo bleibt die progressive Reaktion?
Die SVP macht 2025 also weiter, wo sie 2024 aufgehört hat. Zwar werden viele ihrer Vorlagen chancenlos bleiben, auf Dauer wird eine rein auf Abwehrkämpfe ausgerichtete Politik jedoch nicht ausreichen. Schon das Ja des Nationalrats zum Verbot des Familiennachzugs hat gezeigt, wie schnell die Mehrheiten kippen können. Stattdessen bräuchte es eine Vielzahl progressiver Vorstösse, die tatsächlich dazu beitragen, die parlamentarischen Debatten wieder in eine andere Richtung zu verschieben.

 

Dieser Text ist eine leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Artikels, der zuerst im Sosf-Bulletin Nr. 1 / 2025 erschienen ist.