Diese Analyse wurde verfasst von Élodie Feijoo, Projektleiterin des «Comptoir des médias» bei asile.ch.
Am 16. Juni wird der Ständerat über die Motion 25.3224 «Statuts der vorläufigen Aufnahme klären und eingrenzen» von Thierry Burkart beraten. Diese verlangt die «Einführung klar definierter Kriterien» für die vorläufige Aufnahme (obwohl solche bereits existieren), die Schaffung eines Spezialverfahrens aus medizinischen Gründen – einer Situation, von der jährlich nur rund hundert Personen betroffen sind – sowie einen Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt, der die seit 2019 von Bund und Kantonen unternommenen Anstrengungen zur Arbeitsmarktintegration von vorläufig Aufgenommenen untergraben würde. Eine Analyse dieser Vorschläge zeigt auf, wie sehr sie zwischen Nutzlosigkeit und zusätzlichen Kosten für die Allgemeinheit schwanken.
Klare Kriterien sind bereits im AIG und im «Handbuch Asyl und Rückkehr» enthalten
Der Motionär verlangt vom Bundesrat, dass «klare, objektive Kriterien geschaffen werden, die den vorläufigen Schutzstatus ausschliesslich Personen vorbehält, die in akuten Schutzsituationen Hilfe benötigen». Artikel 83 des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) legt jedoch bereits einen klaren Rahmen fest. Und auch das «Handbuch Asyl und Rückkehr» des Staatssekretariats für Migration (SEM) präzisiert detailliert die verschiedenen Situationen, die zu einer vorläufigen Aufnahme führen. Es stützt sich dabei auf die gesetzlichen Bestimmungen, die Lehre, die Rechtsprechung sowie die bestehende Praxis. Insbesondere Artikel E3 des Handbuchs mit dem Titel «Die Wegweisung, der Vollzug der Wegweisung und die Anordnung der vorläufigen Aufnahme» enthält einen ganzen Abschnitt über die Unzumutbarkeit der Wegweisung aus medizinischen Gründen (Abschnitt 3.2.2.1) sowie einen weiteren Abschnitt zum Thema «Gewaltflüchtlinge» (Abschnitt 3.2.1.1).
Von wem sprechen wir, wenn wir von vorläufig Aufgenommenen reden? Eine vorläufige Aufnahme (oder F-Bewilligung) wird Personen gewährt, deren Schutzbedürftigkeit anerkannt ist, die jedoch nicht alle Kriterien für die Gewährung von Asyl erfüllen – namentlich den Nachweis individueller Verfolgung. Es handelt sich mehrheitlich um Personen, die vor Krieg oder allgemeiner Gewalt geflohen sind und deren Wegweisung gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz verstossen würde. Technisch gesehen wird im Asylverfahren also ein negativer Entscheid und anschliessend ein Wegweisungsentscheid gefällt. Da dieser jedoch nicht vollzogen werden kann (weil er unzumutbar, unzulässig oder unmöglich ist), wird eine vorläufige Aufnahme ausgesprochen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Personen, die gemeinhin als «Kriegsflüchtlinge» bezeichnet werden, in der Schweiz in der Regel eine vorläufige Aufnahme erhalten und dauerhaft im Land bleiben.
Unzumutbare Ausschaffungen aus medizinischen Gründen: rund hundert Fälle pro Jahr
Die Motion fordert die Schaffung eines besonderen Verfahrens für Personen, deren Ausschaffung aus gesundheitlichen Gründen als unzumutbar erachtet wird. Aber um wie viele Personen handelt es sich dabei eigentlich? Wir haben diese Frage an das SEM gestellt, das uns die Zahlen für die Jahre 2021 bis 2024 mitgeteilt hat (siehe die Tabelle unten). Wie lässt sich die Einführung eines neuen Verfahrens für rund hundert Personen pro Jahr rechtfertigen? Wie hoch wären die bürokratischen Kosten?

Es sei daran erinnert, dass nur schwerwiegende medizinische Fälle betroffen sind, und zwar nur dann, wenn eine medizinische Behandlung im Heimat- oder Herkunftsland nicht verfügbar ist. «Der alleinige Umstand, dass im Heimat- oder Herkunftsstaat keine dem schweizerischen Standard entsprechende medizinische Behandlung möglich ist, führt nicht zur Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs.» («Handbuch Asyl und Rückkehr» des SEM, Artikel E3, 3.2.2.1, S. 16).
Zugang zum Arbeitsmarkt und Abhängigkeit von der Sozialhilfe
Der Motionär kritisiert die Integrationsmassnahmen, von denen Personen mit einer F-Bewilligung profitieren. Er fordert sogar deren Ausschluss, insbesondere vom Zugang zum Arbeitsmarkt, für Personen, deren Wegweisung aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar ist. Ein solcher Ausschluss würde den Bemühungen zuwiderlaufen, die Bund und Kantone seit 2019 mit der Einführung der «Integrationsagenda Schweiz» (IAS) unternommen haben. Ziel der IAS ist es nämlich, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene schneller zu integrieren, um ihre Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu verringern. Einem Teil der vorläufig Aufgenommenen das Arbeiten zu verbieten, würde bedeuten, sie in einer prekären Situation zu belassen. Abgesehen vom menschlichen Aspekt würde dieser Vorschlag die Sozialhilfekosten erhöhen, die staatlichen Einnahmen aus der Erwerbstätigkeit verringern und den Arbeitskräftemangel verschärfen (als Beispiel und zur Vertiefung des Themas Arbeitsverbot sei auf die Studie «Evaluation der wirtschaftlichen Kosten für den Kanton Genf aufgrund des Arbeitsverbots für abgewiesene junge Asylsuchende» verwiesen).
Eine unpassende Bezeichnung
Die Motion reiht sich ein in eine Reihe von Angriffen gegen die vorläufige Aufnahme (zuletzt Motion 25.3274«Fehlanreize in der Asylpolitik reduzieren» von Christoph Riner). Dieses Mal ist der Ausgangspunkt des Antragstellers gar nicht einmal falsch: Der Aufenthalt von vorläufig Aufgenommenen in der Schweiz ist oft eher dauerhaft als vorübergehend. Um diese Diskrepanz zwischen Terminologie und Realität zu beheben, schlägt Thierry Burkart Gesetzesänderungen vor, durch die «der vorläufige Charakter des Schutzstatus sichergestellt und Fehlanreize vermieden» werden. Allerdings ist der gegenwärtige Rechtsrahmen bereits auf Vorläufigkeit ausgerichtet: Die F-Bewilligung wird für höchstens 12 Monate erteilt und nur verlängert, wenn die Inhaber:innen weiterhin die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme erfüllen (Artikel 84 und 85 AIG). Wenn man also doch von einem dauerhaften Aufenthalt in der Schweiz ausgeht, bestünde ein alternativer Ansatz darin, die Bezeichnung (ergänzender Schutz, humanitärer Schutz, subsidiärer Schutz usw.) und die gesetzlichen Normen an die Realität der «vorläufig» aufgenommenen Personen anzupassen. Denn ihr Aufenthalt ist tatsächlich dauerhaft. Und ihr Schutzbedürfnis ist sehr real.