Zwei in der Sommersession diskutierte Motionen geben vor, «die Bevölkerung zu schützen». Eingereicht wurden sie von der SVP (24.3716) und den Grünliberalen (25.3105). Es sind weder die ersten noch die letzten Motionen in einer langen Reihe von Schnellschüssen, die schwer oder gar nicht durchsetzbar sind und bezüglich einer möglichen Verbesserung des Sicherheitsniveaus überflüssig und wirkungslos wären.
Inhaftieren um jeden Preis
Die Motion der grünliberalen Ständerätin Tiana Angelina Moser verlangt, dass im Ausländerrecht leichter Zwangsmassnahmen angewendet werden können. Ziel der Massnahme wäre es, die Kriminalität zu senken und die öffentliche Sicherheit zu verbessern. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion.
Abgesehen davon, dass die Motion Personen ohne Aufenthaltsstatus mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung bringt, schlägt sie nur eine Scheinlösung vor. Denn bei den Zwangsmassnahmen handelt es sich fast immer um Formen der Inhaftierung. Sie können nur deshalb angewendet werden, weil die betroffenen Personen aus der Schweiz ausgewiesen werden sollen. So kommen sie beispielsweise zum Einsatz, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Person vor der Ausschaffung untertauchen könnte, wenn die Polizei nicht frühmorgens in eine Wohnungen eindringen möchte, oder manchmal auch, um Personen davon abzubringen, in der Schweiz zu bleiben.
Die Motion Moser will also «Mehrfachtäter» verwaltungsrechtlich inhaftieren lassen, d.h. Personen, die wiederholt ein Delikt begangen haben, das jedoch nicht als ausreichend erachtet wird, um eine Inhaftierung auf strafrechtlicher Ebene zu rechtfertigen. Daher ist für eine Inhaftierung eine Zwangsmassnahme erforderlich. Das jedoch ist höchst problematisch, da es rechtlich gesehen die Anwendung eines schärferen Rechts für Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus ermöglichen würde.
Das ist problematisch, aber nicht neu. Eine Untersuchung des Recherchekollektivs WAV hat bereits gezeigt, wie sehr das Strafsystem Armut bestraft. Mehr als die Hälfte aller Personen in Schweizer Gefängnissen sind dort, weil sie sich eine Geldstrafe nicht leisten können. Darüber hinaus sind 20% der Insassen wegen eines Verstosses gegen das Ausländergesetz inhaftiert. Aufgrund eines Vergehens also, dessen sich Schweizer Staatsangehörige gar nicht schuldig machen können. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn über die Überrepräsentation von Ausländer:innen in Gefängnissen gesprochen wird. Die Erklärung für die Überrepräsentation von ausländischen Personen in der Kriminalstatistik folgt einer ähnlichen Logik. Einzelheiten dazu finden Sie in einem Artikel des Kriminologen André Kuhn für asile.ch.
Die Motion Moser schlägt also eine Eskalation des Strafvollzugs vor, bietet aber keine Lösung, die tatsächlich der Bekämpfung der Kriminalität dienen und für mehr Sicherheit sorgen würde.
Das Asylrecht (weiter) einschränken
Dasselbe gilt auch für die noch härtere Motion von Pirmin Schwander. Dieser fordert, dass Personen, die sich im Asylverfahren befinden oder denen Schutz gewährt wurde, vom Asylrecht ausgeschlossen werden, wenn sie eine Straftat begangen haben. Solche Bestimmungen existieren jedoch bereits im Schweizer Recht. Artikel 53 des Asylgesetzes ermöglicht es, Personen die Flüchtlingseigenschaft abzuerkennen, die dieser aufgrund von strafbaren Handlungen unwürdig sind, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährden oder gegen die eine strafrechtliche Ausweisungsverfügung vorliegt. Der Bundesrat empfahl daher, die Motion abzulehnen. Dass der Vorschlag überflüssig und nicht umsetzbar ist, ist jedoch keine Garantie dafür, dass er von den Ständerätinnen und Ständeräten nicht doch angenommen wird.
Immer die gleichen Scheinlösungen
Es ist nicht das erste Mal, dass die SVP vorschlägt, das Asylrecht zu beschneiden, um die Kriminalität zu bekämpfen. Demnächst werden die Ideen des Psychiaters Frank Urbaniok im Parlament diskutiert, der Asylquoten für Länder vorschlägt, die eine hohe Kriminalitätsrate aufweisen. Und das 24-Stunden-Verfahren für Asylsuchende aus Nordafrika war eine Reaktion des sozialdemokratischen Bundesrates Beat Jans auf den Druck, der von den extremen Rechten ausgeübt wurde. Doch diese Verkürzung des Asylverfahrens zeigte keinerlei Auswirkungen, die die Wirksamkeit der Massnahme hätten bestätigen können.
Die beiden aktuellen Motionen gehen, wie so viele andere in der Asyldebatte, von der Annahme aus, dass die Schweiz «mit Sicherheitsproblemen im Zusammenhang mit irregulär aufhältigen Personen, Asylsuchenden ohne Aussicht auf Asyl oder abgewiesenen Asylsuchenden konfrontiert» ist. Und die Motionen scheinen nur dazu bestimmt, dieses Narrativ zu festigen.
Es wäre jedoch gefährlich, die Ängste, aus denen populistische Parteien Kapital schlagen, nicht ernst zu nehmen. Wir leben in beängstigenden Zeiten. Die sozialen Rechte schwinden, die Unsicherheit nimmt zu, das Recht auf Arbeit ist bedroht, das Gesundheitssystem ist am Ende. Sicherheit ist ein Thema, das auch von der Linken verteidigt werden sollte. Die Linke sollte sich jedoch nicht mit kurzfristigen Schnellschüssen und symbolischen Massnahmen begnügen, die nur auf den ersten Blick eindrucksvoll daherkommen.
Ebenso wichtig ist es, sich ernsthaft zu fragen: Um welche Sicherheit geht es eigentlich? Wie können wir von Sicherheit reden, wenn vor nur einer Woche erneut ein schwarzer Mann in Obhut der Polizei zu Tode kam, die doch eigentlich die Bevölkerung schützen sollte? Wie können wir von Sicherheit reden, wenn innerhalb weniger Tage zwei Todesfälle und zwei Suizidversuche im Zürcher Ausschaffungsgefängnis gemeldet werden und es in den Bundesasylzentren zu eine Vielzahl von Selbstmorden und Selbstmordversuchen kommt? Wie können wir von Sicherheit sprechen, wenn die Organisationen, die sich für die Opfer häuslicher Gewalt einsetzen, ständig unterfinanziert sind?
Wir müss Sicherheit als soziale Frage und als ein Recht betrachten, das für alle Menschen garantiert werden muss. Und immer wieder daran erinnern, dass soziale Ungleichheit und Prekarität die Hauptursachen für Kriminalität und Gewalt sind. Nur wenn wir an diesen Hebeln ansetzen, kann sich die gesamte Bevölkerung sicher fühlen.