Schraner Burgener: diplomatisch ungeschickt

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Schraner Burgener betont in ihrem Schreiben, dass dem Staatssekretariat für Migration (SEM) die Praxis der illegalen Pushbacks in Kroatien bekannt sei. Für das SEM sei es von zentraler Bedeutung, dass «Polizei- und Grenzschutzbehörden im Einklang mit geltendem nationalen und internationalen Recht» arbeiten. Das Problem dabei: das passiert nachweislich nicht. Dutzende, wahrscheinlich sogar hunderte Berichte beweisen, dass die kroatischen Grenzschutz- und Polizeieinheiten mit äusserster Brutalität vorgehen. Nicht nur das, sie sperren Menschen illegal einrauben sie aus. Und ebenfalls bewiesen ist, dass diese Praxis institutionell und politisch abgesegnet ist. Also vom kroatischen Staat nicht nur geduldet, sondern von ihm ausgeführt wird. Vor diesem Hintergrund fordern Berichte von Solidarité sans frontiéres (Sosf), aber auch von der sonst zurückhaltenden Schweizerischen Flüchtlingshilfe beide klar, dass Rückführungen nach Kroatien sofort gestoppt werden müssen. 

 

Schraner Burgener behauptet weiter, dass die Pushbacks und Dublin-Rückführungen keinen Zusammenhang hätten. Das ist eine zynische und irreführende Aussage. Das SEM unter der Leitung der ex-Diplomatin Schraner Burgener übergibt die Menschen in die Obhut desselben Staates, der für ihre Misshandlung verantwortlich ist. Die Schweiz schickt Opfer von Gewalt und Folter zurück zum Täter. Die Asylex-Anwältin Lea Hungerbühler sieht in dieser Praxis laut einem Artikel in der WOZ einen klaren Verstoss gegen das Non-Refoulement-Prinzip. Sprich gegen den Grundsatz, dass niemand in ein Land zurückgewiesen werden darf, wo Folter oder schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Weil ausserdem aussichtslos ist, dass der kroatische Staat die Opfer angemessen entschädigt, verstösst die Schweizer Praxis zudem gegen die Anti-Folterkonvention der UNO

 

Obwohl sie es besser wissen müsste, behauptet Schraner Burgener, dass Asylsuchende nach ihrer Überstellung nach Zagreb Zugang zu einem «rechtsstaatlichen Asyl- und Wegweisungsverfahren» haben und betont auch die Verantwortung der kroatischen Behörden bei medizinischer Versorgung. Nach einem Besuch vor Ort hielt Sosf in Bezug auf letzteres fest: «Das Gesundheitssystem und seine Einschränkungen für Exilierte reduzieren deren Chancen auf eine medizinische und psychosoziale Versorgung, die auf die Verletzlichkeit der Exilierten zugeschnitten ist, auf nahezu null.» 

 

Weiter verteidigt sich die SEM-Direktorin: «Weder das SEM noch das Bundesverwaltungsgericht [BVGer, die Red.] gehen von systemischen Schwachstellen im kroatischen Asylsystem aus.» Diese Aussage stützt Schraner Burgener auf Informationen von «staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen». Doch wir fragen uns: welche denn? Denn wir wissen: eine dieser Quellen ist das Center for Peace Studies (CPS). Sosf führte im Herbst 2022 mit CPS und mit anderen NGO’s vor Ort intensive Gespräche. Diese erzählen eine ganz andere Version als das SEM verbreitet. Sie sprechen von systematischer Gewalt und explizit von «systemischen Mängeln» - ebenjenen die das SEM und das BVGer nicht sehen wollen. Sara Kekuš von CPS weist die von Schraner Burgener hier erneut verbreitete Darstellung gegenüber der WOZ energisch zurück, widerspricht ihr «fundamental». Die Bewertungen des BVGer werden auch in einem kürzlich erschienenen Bericht der SFH als unverständlich bezeichnet.

 

Ebenso zweifelhaft ist der Verweis der Direktorin auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die ihre brüchige Argumentation stützen sollen. Doch dessen Praxis hat Sosf erst kürzlich ausführlich zerlegt: «Wenn ein Staat gewillt ist, Menschen an seinen Aussengrenzen abzuschieben bzw. solche Vorgehensweisen duldet und den Betroffenen die gemäss Flüchtlingskonvention zustehenden Rechte verwehrt, so muss davon ausgegangen werden, dass systemische Mängel im Asylsystem dieses Staates vorliegen, die sich auch auf die Behandlung, Betreuung, Unterbringung der Asylsuchenden auswirkt. Nicht umsonst werden genau solche Missstände regelmässig rapportiert. Das BVGer widerspricht mit dieser Einschätzung seiner eigenen Rechtsprechung.» 

 

Das BVGer und das SEM machen es sich mit ihren Ausreden zu einfach – doch sie folgen ihrer undichten Argumentation unvermindert weiter, trotz allen Berichten und Interventionen. 

 

Deshalb kommen wir zum Schluss: Während das SEM und das BVGer im Fach Grundrechte offensichtlich einen Fensterplatz hatten, haben sie beide einen Doktortitel in systematischem Wegschauen. Doch wer wegschaut ist mitschuldig – das SEM und das BVGer verletzen nicht nur internationale Rechtsgrundsätze, sondern werden durch ihre Praxis auch zu Mittätern bei den zahlreichen Verbrechen gegenüber Migrant:innen in Kroatien. Daran ändern auch diplomatische Briefe von Christine Schraner Burgener nichts. Entgegen ihrem Schlussatz hat die SEM-Direktorin damit nicht zu einem «besseren Verständnis» beigetragen, sondern vielmehr bewiesen, dass es ihr in einer wichtigen Kernkompetenz an Verständnis mangelt: den Grund- und Menschenrechten. 

[Sosf]

P.S: In der Zwischenzeit geht der Abschiebungswahnsinn weiter. Charles befindet sich in Verwaltungshaft und wartet auf seine Abschiebung. Beteiligt euch an der E-Mail-Aktion für seine Freilassung!
 

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